Der Wert menschlicher Traditionen
C. H. Spurgeon:
Als vor Jahren ein Generalinspektor in einer Provinzialstadt in Frankreich die dortige Garnison inspizierte, bemerkte er, dass in einiger Entfernung von den Wällen ein Wachtposten stationiert war, welcher dem Anschein nach einige zerfallene Gebäude in der Vorstadt zu bewachen hatte. Als er den Posten anredete und ihn fragte, warum er dort stehe, sah sich dieser genötigt, den General für nähere Information an den Feldwebel seiner Kompanie zu verweisen und auch dieser konnte keine Auskunft geben, sondern musste sich auf den Hauptmann berufen. Der Hauptmann wusste aber über den Zweck jenes Postens ebenso wenig zu sagen und versteckte sich mit seiner Aussage hinter dem Kommandanten der Festung. Dieser letzte hohe Beamte sagte allen Ernstes, dass er ebenfalls nichts Näheres wisse und das er nur die Instruktionen seines Vorgängers als maßgebend für sich ansehe.
Eine sorgfältige Untersuchung in den Archiven der Munizipalbehörde ergab dann endlich den Aufschluss, dass im Jahre 1720 die alten Gebäude von Fauburg zu Vorratskammern für die dem Gouvernement gehörigen Matratzen verwendet wurde und dass es einmal nötig geworden war, die Tür anstreichen zu lassen. Solange der Anstrich frisch war, wurde ein Posten dorthin gestellt, um die ein- und ausgehenden Soldaten vor der Verunreinigung ihrer Uniformen zu warnen; aber ehe der Anstrich, der mehrere Male wiederholt werden musste, fertig war, wurde der Kommandant nach einer andern Festung versetzt und er vergaß es, den Posten wieder aufzuheben.
So hatte denn 130 Jahre lang ein Posten vor jener Tür gestanden, eine heilige, unantastbare Tradition, welche uns die Abgeschmacktheit menschlicher Überlieferungen recht deutlich illustriert.
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