Der Weizenhaufen
Der Weizen wird billig für das schönste Korn gehalten, maßen er denn nicht allein mit seiner gelbbraunen schönen Farbe die Augen, sondern auch mit dem schneeweißen Mehl den Magen nach Wunsch füllt und sättigt. Als nun Gotthold einen ziemlich großen Weizenhaufen auf einer Tenne liegen sah, schlug er seine Hände mit Seufzen zusammen, erhob seine Augen gen Himmel und sagte bei sich selbst: du milder Vater und Erhalter aller Kreaturen: du schaffst unsern Grenzen Frieden und sättigst uns mit dem besten Weizen! Ps. 147, 14. In diesem so schönen Haufen sind viel tausend Körnlein und ein jedes ist nichts anders, als ein Tröpflein deiner göttlichen Güte. Denn ohne dieselbe könnte keine Kraft dem menschlichen Leben zu Dienst darinnen sein. Dieser Haufen ist unten breit und spitzt sich oben zu, dabei ich mich erinnere deiner weitläuftigen Gnade, die sich in unzählig vielen Wohlthaten über den ganzen Erdkreis erstreckt, oben aber auf das Einige ausläuft, daß alle gute und vollkommene Gabe von oben herab, von dir, dem Vater des Lichts, kommt. Jak. 1, 17. An diesem Haufen, wenn ein paar Körnlein geregt und hinweg genommen werden, so fallen 100 andere nachher, daran ich mit Lust schaue ein Bild deiner göttlichen Mildigkeit, welche, wenn wir ein Weniges mit demüthiger Dankbarkeit nehmen und verzehren oder dem dürftigen Nächsten reichen, mit tausendfachem Segen solches wieder einbringt. Mein Gott! es war ein Großes und Wunderbares, daß du deinem Volke Brod ließest in den Wolken wachsen und schüttetest es haufenweise mit dem Thau um ihr Lager her, 2. Mos. 16, 24., allein, mein Vater! ich verwundere mich nicht weniger über dies, dein edles Geschöpf, weil jenes hell, weiß und klar war, wie theils Wolken sind, die den silberhellen Regen gebären; die Erde aber ist schwarz, steinig und scheußlich und bringt doch diese so schöne gelbbraune und mit dem weißen Mehl angefüllte Frucht. Ich halte, dieses wäre eben so ein großes Wunder, als jenes, wenn es auch so selten geschähe, als jenes. Frommer Gott! wenn ich so viel Zungen hätte, als in diesem Haufen Körnlein sind, könnte ich dich nimmer genugsam loben, und will doch nicht unterlassen, dich zu loben, weil du nicht müde wirst, Gutes zu thun.
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