Der Weizen
Gotthold sah zu, als ein Ackermann ließ Weizen dreschen, und nahm wahr, wie die Drescher nicht allein weidlich darauf schlugen, sondern auch mit Füßen darüber hergingen und endlich durch vielerlei Mittel das reine Korn von der Spreu, Staub und anderm Unrath schieden. Wie kommt’s immermehr, dachte er bei sich selbst, daß alles, was nützlich und der Welt dienlich werden soll, viel leiden und auf allerlei Art mit sich handeln lassen muß, allein der Mensch, der doch mit allen Dingen nach Belieben verfährt, will nichts leiden und Gott nach Belieben nicht mit sich machen lassen. Dies Korn, das edelste unter allen, wird hier geschlagen, mit Füßen getreten, abgekehrt, zusammengestoßen, geworfen, gesichtet, gerüttelt und geschüttelt, hernach gemahlen, gebeutelt, gebacken und also endlich kommt es wol auf königliche und fürstliche Tafeln. Was bild ich mir denn ein, wenn ich übel zufrieden bin, daß mich Gott nicht auf Rosenblättern führt oder in der Sänfte gen Himmel tragen läßt? Wie wollte dies Korn rein werden, wenn es nicht so behandelt würde? Und wie wollt ich fromm und selig werden, wenn ich von keinem Kreuz und Unglück wüßte? Darum, mein Gott! mache es, wie du willst, und gieb, daß ich wolle, wie du willst. Schlage, dresche, sichte, mein Gott! daß ich endlich ein reines und schönes Brod auf deiner Tafel werde, welches ich um desto williger leiden will, weil ich weiß, daß dein Prophet spricht: Man mahlt das Korn, daß es Brod werde, und drischt es nicht gar zu nichte. Solches geschieht auch vom Herrn Zebaoth, denn sein Rath ist wunderbarlich und führt es herrlich hinaus. Jes. 28, 28. 29.
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