Der Wechsel

Es ward an Gotthold eine Summe Geldes von einem abgelegenen Orte wegen eines seiner Hausgenossen durch Wechsel übermacht; als nun das Geld bezahlt wurde, und er an seinen Leuten, die umher standen, gewahr ward, daß sie sich über so viel Geld (wie junge Leute pflegen) verwunderten, sagte er: Gewöhnt euch von Jugend auf fein dazu, daß ihr euch an dem Geld nicht vergafft und es nicht als etwas Großes und Köstliches mit Lust und Begierde anseht. Es ist eine glänzende Erde und ein unstetes flüchtiges Ding; es wandert von einem zum andern und ist wie das Quecksilber, welches allezeit unstet bald zusammen, bald von einander läuft; wie der Wind spielt mit dem Sande oder mit den trocknen Baumblättern und treibt bald hier, bald dort einen Berg und Haufen zusammen, damit doch niemand gedient ist, so gehts mit dem Gelde und Gütern dieses Lebens; sie sind bald hier, bald dort, und sind am Ende so viel nütz, als ein Sandhaufen oder eine Grube voll Baumblätter. Darum ließ sich jener Graf zum Sinnbild malen einen Baum, dem durch Sturm zur Herbstzeit die Blätter abgenommen werden und häufig herunter fallen mit der Zuschrift: Der Schaden ist gering. Ich weiß nicht, ob man eine Münze finden möchte, darauf Flügel gebildet, wollte aber wünschen, daß die Potentaten belieben möchten, alle Reichsthaler und Dukaten mit Flügeln zu bezeichnen, anzudeuten, daß der Reichthum sich oft Flügel nimmt und davon eilt, ehe man es meint. Und gesetzt, daß er Fuß halte, was ist sein der Mensch groß gebessert? Die Reichen von dieser Welt haben keinen Vorzug vor andern in den hauptsächlichen Dingen dieses Lebens; sie werden geboren wie andere, sie essen und trinken wie andere und haben nichts mehr davon, als daß sie satt werden; sie tragen ein Kleid wie andere, ist es schon zierlicher und prächtiger, so thuts doch nichts mehr, als ein schlechtes, nämlich, daß es den Madensack deckt und schützt; sie sorgen wie andere, ja oft wol mehr, sie kranken wie andere, sie sterben wie andere. Ein Holz bleibt ein Holz, ob es schon vergoldet wird, ja in den vergoldeten Bildern in der Kirche nähren sich gleichwohl die Würmer, und die Fledermäuse nisten darin. So auch die Reichen sind der Würmer Speise und ihr Herz, ach leider! ist öfters eine Behausung der Teufel. Reiche Leute geben ihren Kindern manchmal silberne und güldene Pfennige, damit sie spielen, andere haben Zahlpfennige, etliche machen sich Geld von Papier und Topfscherben, endlich wird ein Kind des Spiels so wohl müde, als das andere und geht schlafen; so gehts mit uns Alten auch; das Leben ist ein Spiel, ich spiele nun, womit ich will, ich muß doch endlich davon und andern, was ich unter Händen gehabt, überlassen. Darum laßt uns das Geld nicht ohne Verachtung anschauen und alsbald dabei gedenken: was hilfts, wenn ich sterben soll? Was bin ich vor dem Richterstuhl Christi dadurch gebessert? Je mehr Geld, je größere Rechnung; besser Gott, als Gold; besser reich in Gott, als reich in der Welt und dergleichen. Fallt euch aber Reichthum zu, so vergesset nicht, etwas durch Wechsel in den Himmel zu übermachen, auf daß, wenn ihr hernach folgt, ihr einen Vorrath daselbst finden mögt. Zahlt euer Geld an die dürftigen Glieder Christi, die werden euch durch ihre gottseligen Seufzer und Fürbitten einen Wechselzettel geben, der im Himmel ohne Widerrede angenommen und nach Sicht, wie die Kaufleute reden, gezahlt wird. Dies ist das richtigste Mittel, seiner Güter versichert zu sein und ihrer nach diesem Leben zu genießen. „Aber Gott hat keinen Credit bei der Welt,“ spricht ein vortrefflicher Lehrer unserer Zeit (Heinrich Müller). „Spricht er: Gebet, so wird euch gegeben; so denkt jeder: wer wills drauf wagen? Hüte dich vor der ersten Auslage; was ich habe, das hab ich; was ich noch kriegen soll, ist ungewiß.“ Nun Welt, willst du es auf Gott und sein Wort nicht wagen, so laß es; ich wills getrost thun, wir wollen endlich sehen, wen es gereuen wird.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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