Der verlorne Groschen
Eine von Gottholds Hausgenossen hatte einen Groschen verloren, welchen sie mit Fleiß, mit Kehren, mit angezündetem Licht, ja mit Thränen, als sie ihn nicht fand, suchte. Gotthold sagte bei sich selbst: ich wollte wünschen, daß ein Mensch, so oft er sündigt, einen Groschen, einen Ortsthaler, einen halben oder ganzen Thaler, einen Dukaten und so weiter, je nachdem sein Vermögen groß oder schlecht, aus seinem Vorrath verlöre, so wollte ich wetten, daß nicht so viel würde gesündigt werden. Ists nicht eine große Blindheit, daß wir Menschen, wenn wir einen Groschen verlieren, weinen, und wenn wir Gott und seine Gnade durch muthwillige Sünden verlieren, lachen? Also haben wir unser Geld lieber, als unser n Gott. Doch manchem ist Gold und Gott eins. Du sichere alberne Welt! was will endlich aus dir werden? Um deinen größten Schaden bist du am wenigsten bekümmert und achtest den Verlust des Himmels nicht, nur daß du die vergänglichen Güter gewinnen mögest? Gold suchst du, Gott aber nicht. Gott läßt sich von dir finden, wenn du ihn nicht suchst, Jes. 65, 1. und kannst ihn mit gutem Gewissen zu deinem ewigen Vortheil haben. Das Gold aber mußt du suchen mit beschwerlicher und gefährlicher Arbeit, besitzen mit Sorge und Kargheit und endlich verlieren mit Schande und Herzeleid. Einem gottlosen Menschen an seinem Ende kann das Gold nicht helfen, Gott aber will aus gerechtem Gericht nicht, wie ist ihm denn geholfen? Mein Gott! wenn ich alles gewönne und im Besitz und Nutzen hätte, deine Gnade aber durch tägliche Sünden verlöre, was wäre mir mit allem meinem Gewinn und Vermögen gedient? Ich mag verlieren, was ich will, oder, daß ich besser rede, was du willst, nur deine Gnade nicht, so habe ich nichts verloren. Denn deine Gnade ist alles.
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