Der verhängnisvolle Kuss
Pastor Kemner erzählt: "Während meines Studiums in Münster hatten wir an einem Abend in der DCSV eine gemütliche Zusammenkunft, nach der mich eine Studentin, die in einem Vorort von Münster wohnte, um meine Begleitung bat. Selbstverständlich erfüllte ich diese Bitte.
Während wir uns zwanglos unterhielten und sie sich für meine Begleitung bedankte, sagte ich übermütig: 'Nichts ist umsonst! Auch diese Begleitung kostet Sie etwas.' Sie meinte, die Kosten würden wohl zu ertragen sein, aber in mir steckte der Lausejunge und vielleicht auch ein leichter Zug zum Abenteuer. Jedenfalls holte ich mir, als wir uns die Hand zum Abschied gaben, unversehens einen Kuss. Wir gingen lachend auseinander, und ich hatte beileibe keinen bösen Gedanken dabei. Viele Jahre später stand ich als Evangelist im Zelt der Deutschen Zeltmission auf dem Hohenzollernplatz in Köln. Das Zelt war übervoll, und die Seelsorge nahm mich voll in Anspruch. Als ich wieder daheim war, fand ich unter der Post einen Brief, der mich erschrecken ließ. Ich las:
'In der letzten Woche saß ich jeden Abend unter Ihrem Wort. Die Botschaft traf mich, weil ich nicht daran zweifle, dass Sie ein ehrlicher Zeuge sind. In den letzten Tagen dachte ich daran, zu Ihnen in die Seelsorge zu gehen, aber ich hatte nicht den Mut, denn ich bin das Mädchen, das Sie damals vor der Haustür in Münster geküsst haben. Die Sache war natürlich harmlos. Und doch hatte sie Folgen. Ich lebe in einer Ehe, die unglücklich ist. Vier Kinder machen mir große Sorgen. Gern hätte ich Ihren Rat gehabt, aber ich bin nicht gekommen, weil ich den Kuss von damals nicht vergessen kann.'
Was uns damals als harmloses Abenteuer vorgekommen war, war der Frau nun zur Gefahr geworden. Wie schwer musste es ihr gefallen sein, auf die Seelsorge zu verzichten. Ich habe ihr einen bußfertigen Brief geschrieben, und die Sache ist vor dem Herrn beglichen worden. Wie gut, dass dies möglich ist!"
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