Der unbekannte Mendelssohn
Felix Mendelssohn-Bartholdy, der bekannte deutsche Komponist und Pianist, wurde im Jahr 1801 geboren. Bereits als junger Mann brachten ihm seine Begabung und seine musikalischen Fähigkeiten weltweiten Ruhm ein. Man erzählt sich, dass er eines Nachmittags in Freiburg spazieren ging, ohne dass ihn jemand als Mendelssohn identifizierte. So ging er - unbekannt - in die alte Kathedrale, da er gehört hatte, dass es dort ein bekanntes und seltenes Exemplar einer Orgel gebe. Nachdem er den alten Mann gefunden hatte, der die Verantwortung für die Orgel besaß, bat Mendelssohn bescheiden, ob er das alte Stück einmal anspielen dürfe. Der alte Mann jedoch antwortete ganz entschieden: „Nein, niemals. Fremden erlaube ich nicht, meine Orgel zu spielen!“
Der junge Musiker hörte jedoch nicht auf zu bitten und sprach so lange in liebevoller Weise von der Orgel, ja flehte so lange, dass der alte Mann schließlich doch einwilligte. „Gut, ich will es Ihnen gestatten. Aber nur für ein paar Minuten!“
So setzte sich Mendelssohn an das Instrument. Seine Finger glitten über die Tasten, als er begann, die Orgel zu spielen. Sofort antwortete die Orgel auf die „Ansprache“ des Musikermeisters. Es hatte fast den Anschein, als ob er die Orgel mit einem ganz neuen Leben erfüllte. Denn von den Orgelpfeifen tönte, als ob sie regelrecht ins Schwärmen geraten würden wie nie zuvor. Und als könne die große Kathedrale diese ganze Musik nicht bewältigen, drang die Musik durch die offenen Türen und Fenster in die Straßen, so dass das vorbeieilende Volk stehen blieb, um zuzuhören und zu bestaunen.
Als das kurze Musikstück zu Ende war, legte der alte Mann seine beiden zitternden Hände auf die Schultern des Musikers; Tränen rannen ihm über sein Gesicht: „Wunderbarer Mann! Wer sind Sie?“ Als er dann den Namen Mendelssohn hörte, wich er in Furcht und Erstaunen einen Schritt zurück und rief aus: „Mendelssohn! - Und ich wies ihn zurück, meine Orgel zu spielen!“
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