Der unbekannte Feldgraue

Aus dem 2. Weltkrieg erzählt Wilhelm Horkel in seinem Buch: "Botschaft von drüben" von einem Soldaten folgendes:
Wir befanden uns mit einer Kampfgruppe auf dem Rückzug in Russland. Dabei waren wir in ein unwegsames Sumpfgelände geraten. Wir waren auf eine Art Insel gelangt, von der aus wir nicht weiter kommen konnten, da sich kein Weg finden ließ, der durch den Sumpf hindurchgeführt hätte. Die Russen hatten uns inzwischen entdeckt, und ihre Flieger bewarfen uns unaufhörlich mit Bomben. Die Lage war völlig aussichtslos, und wir sahen den Tod vor Augen. Nun befand sich bei unserer Truppe ein Soldat, der den Spitznamen "der Fromme" trug. Der Führer unserer Kampfgruppe sagte zu ihm in spöttischem Tone: "Jetzt ist nichts mehr zu machen, wir sind alle verloren, jetzt können Sie aber ruhig beten!" Die Kameraden lachten, aber der Fromme ließ sich durch das Lachen nicht stören, ging einige Schritte abseits, kniete an einem Gebüsch nieder und begann zu beten. Da trat plötzlich ein Feldgrauer zu ihm, den er nicht kannte, und sagte: "Ich werde euch herausführen, ich kenne die Wege hier!" Der Fromme ging zum Hauptmann und sagte ihm, der Feldgraue wolle sie alle aus dem Sumpf herausführen. Die andern Soldaten waren inzwischen verstummt und still geworden, und alle folgten dem unbekannten Feldgrauen. Er brachte uns auf sicheren Wegen bis dahin, wo wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten. Dort angekommen, wollte der Hauptmann den Unbekannten sprechen, aber dieser war spurlos verschwunden. Aber diesen Vorfall wurde ein offizieller Bericht an die vorgesetzte Dienststelle aufgesetzt. Der Erfolg war, dass uns allen aufs strengste verboten wurde, über dieses Vorkommnis jemals zu sprechen.

Quelle: Mach ein Fenster dran, Heinz Schäfer, Beispiel 818
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