Der Ulm-, Rust- oder Röstern-Baum
Als Gotthold einen Rustbaum sah, fiel ihm bei, wie er vordem gelesen, daß, so im April oder Maimonat dieser Baum von wenigem und gelindem Regen befeuchtet und geschwind darauf von den Sonnenstrahlen erwärmt würde, seine Blätter sich krümmten und eine Blase machten, in welcher aus der verschloßnen und erwärmten zähen Feuchtigkeit Mücken und anderes Ungeziefer wüchsen, und von dannen sich häufig hervormachten, daher auch dieser Baum von etlichen der Mückenbaum genannt würde. Er ging hinan und befand es also, zumal etliche Blätter diese Frucht noch trugen, andere aber durch ein kleines Loch dieselbe schon ausgelassen hatten. So gehts zu, dachte er, mit den Leuten, welche sich in gute Tage nicht schicken können; Gott befeuchtet sie mit seinem Segen und bestrahlt sie mit seiner Gnade zum Wachsthum ihrer Gottseligkeit und Dankbarkeit, aber ihr böses Herz brütet den Geiz, die Ueppigkeit, den Stolz, die Undankbarkeit und gottloses Wesen aus. Behüte mich, mein Gott! davor, und gieb, daß ich deine Wohlthaten auch wohl gebrauche!
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