Der Trunkene
Gotthold hörte einen trunkenen Menschen mit großem Geschrei und Lärmen vorbei gehen, wie er sich eben abkleidete und zur Ruhe begeben wollte. Ach, sprach er mit Seufzen, mein Gott, wie geht mancher Mensch zu Bette! Wie viele haben einen Mörder und Lügner zum Schlafgesellen! Dieser hat zweifelsfrei den Tag in Sünden zugebracht und seine Lust im Saufen, Spielen und Narrentheidingen gesucht, jetzt geht er mit Jauchzen und Schreien zu Hause, hat seiner Sünden kein Hehl und meint, er habe es wohl ausgerichtet; er schämt sich seiner Trunkenheit nicht, sondern läßt sich öffentlich hören, nicht mit menschlicher, vernehmlicher Stimme, sondern als eine Bestie, die nicht weiß, was sie thut; dies ist der Teufel Lust und der Hölle Freude, die ihren Rachen weit aufgesperrt hat, einen solchen Menschen zu verschlingen, wenn es nicht deine göttliche Güte und Langmuth verwehrte und ihm Zeit zur Buße um der Fürbitte Jesu willen gönnte. Ich gedenke jetzt an das, was ich glaubwürdig habe erzählen hören: Eine ruchlose Gesellschaft war auch den Tag über bei einander gewesen und hatte sich im Saufen, Schandieren, Fluchen und allerlei gottlosem Wesen rittermäßig erwiesen; einer aus ihrer Mitte, als er es nicht länger aushalten kann, schlich weg und geht zu Bette; als die andern deß inne werden, beschließen sie, ihm einen Possen zu beweisen und ihn aufzuwecken; aber wie? Sie verkleiden sich alle, theils mit weißen Hemden mit Blut bespritzt, theils mit schwarzen alten Pelzen und Säcken, verschwärzen das Gesicht und nehmen brennende Lichter und bloße Degen in die Hände, treten also in die Kammer und um das Bett des Schlafenden und fangen an mit gräßlicher Stimme zu schreien, davon derselbe zwar erwachte, aber, weil er nicht anders denken konnte, als daß so viel Teufel um ihn wären, dermaßen erschrickt, daß er vor Angst nicht reden, schreien oder sich bewegen kann, und ob sie wohl, nachdem sie eine Weile in solchem Schrecken ihn gelassen, ließen Bier und Gläser herein bringen und ihn zu fernerer Lustigkeit ermahnten, so konnte doch und wollte er nichts nehmen, befand sich gar übel und es mußte ein Arzt geholt werden, ihm etwas zu verordnen, der denn eine geraume Zeit mit ihm zu thun gehabt; doch ist durch Gottes Güte dieses gefährliche Spiel ihm zum Besten ausgeschlagen, weil er angelobt, sich sein Leben lang vor solcher bösen Gesellschaft und Trunkenheit zu hüten. Dies war, wiewohl ein grausamer und schrecklicher, Scherz toller, voller Leute, allein, wie leicht könnte es auf des Höchsten Verhängniß geschehen, daß einem Trunkenbold, der in allen seinen Sünden ohne einige Buße und Gebet zu Bette geht, dieses wahrhaftig widerführe, daß, wenn er der Seele nach erwachte, er sich mitten unter den Teufeln in der Hölle befände, die ihm Qual und Leid einschenkten. Offenb. 18, 7. Denn wie mancher ist in Trunkenheit und im Schlaf von Gottes gerechtem Gerichte erhascht und des Morgens todt gesunden worden? Nun, mein Gott! du bist barmherzig, gnädig, geduldig und von großer Gnade und Treue. 2. Mos. 34, 6. Schone dieses armen Menschen nach deiner großen Güte, übereile ihn nicht mit einem schnellen Tode! Gieb ihm seine Sünde mit herzlicher Reue zu erkennen, und laß ihn Gnade um des Herrn Jesu willen finden.
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