Der Traum
Einer von Gottholds Hausgenossen klagte, daß er die Nacht unruhig geschlafen, weil ihm ein verworrner und verdrüßlicher Handel, damit er den vorigen Tag hatte zu thun haben müssen, stets im Sinne gelegen und auch im Traum, sobald er ein wenig eingeschlafen, vorgekommen wäre. Gotthold sagte hierauf: Lernet hiebei, daß unser Todesschlaf nach dem Leben sich wird schicken, und was wir bei gesunden Tagen haben vorgehabt, das wird uns in der selbst nicht mehr spielen konnte, er doch andere spielen sehen und sich daran belustigen möchte. Und, daß ich noch eins hinzu thue, welches ich selbst erlebt, so habe ich einen Menschen gekannt, der vor diesem von guten Mitteln gewesen, durch sein unordentlich Leben aber sich darum gebracht und ein Botenläufer geworden, dabei er aber nach wie vor die lustige Gesellschaft und das Saufen geliebt, auch im Gebrauch gehabt, daß, wenn ihn die Natur gedrungen, hinwegzugehen, er scherzweise gesagt: es ist einer draußen, der mich sprechen will. Als er nun auch einmal in dieser Stadt, woselbst er sonst nicht wohnhaft war, beim Branntwein sich lustig macht und hinausgehend die obgemeldete Rede führt, fällt er draußen um und stirbt eines geschwinden Todes. Da war freilich einer, der ihm etwas zu sagen hatte, nämlich der Tod, der ihn vor Gottes Richterstuhl citirte und führte. Sehet, das heißt, wie ein feiner Spruch, den ich einmal auf der Reise an einem Ort angeschrieben fand, lautet:
Mensch! wie du glaubest, so lebest du,
Wie du lebest, so stirbest du.
Wie du stirbest, so fährest du,
Wie du fährest, so bleibest du.
Darum laßt uns wohl und christlich leben, damit wir, wenns unserm Gott gefällt, auch wohl und christlich sterben mögen. Mein Herr Jesu! ich will mein Herz, so viel immer möglich, weil ich lebe, auf dich, dein h. Blut, Verdienst und Wunden allezeit richten, so wird mir ja auch, wenn ich sterben soll, nichts anders in den Sinn kommen:
Herr Jesu! Dir leb ich,
Herr Jesu! Dir sterb ich,
Herr Jesu! Dein bin ich
Todt und lebendig!
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