Der Segen der Sonntagsheiligung
Emil Frommel hatte in seiner Gemeinde einen Handwerker, der nicht nur am Alltag, sondern auch stets den ganzen Sonntag hindurch an seinem Schustertisch saß und arbeitete. Wenn Frommel ihm den freundlichen Rat gab, doch auch einmal den Sonntag zu feiern, so antwortete der Mann: "Herr Pfarrer, dazu habe ich keine Zeit, sehen sie, ich habe eine große Familie mit sieben Kindern und nur eine kleine Einnahme. Wie sollte ich wohl durchkommen, wenn ich am Sonntag die Hände in den Schoß legen wollte?" - Als Frommel ihn wieder einmal bei der Sonntagsarbeit vorfand, sagte er ihm: "Wir wollen einen Vertrag schließen. Versprechen sie mir, ein ganzes Jahr lang nur sechs Tage zu arbeiten und am siebenten Tage, dem Sonntage, keine Arbeit anzurühren, dafür aber ganz regelmäßig zum Gottesdienst in die Kirche zu kommen, so will ich Ihnen versprechen, dass ich Ihnen allen Schaden, den sie durch Ihre Sonntagsheiligung machen werden, bei Heller und Pfennig am Schluss des Jahres ersetzen werde." Der Mann, der ein gewisses Vertrauen zu Frommel gefaßt hatte, ging auf den Vorschlag ein. Als das Jahr zu Ende war, kam Frommel pünktlich zu ihm und fragte: "Was muss ich Ihnen nun zahlen, lieber Freund?" Da antwortete der Mann mit strahlenden Augen: "Ach, nichts, nichts! Ich habe trotz der Sonntagsfeier mehr Verdienst gehabt als früher, und es ist ein ganz anderes Leben bei uns im Hause geworden, viel mehr Freude, viel mehr Glück, so wie wir es früher nie gekannt haben, ist bei uns eingekehrt!" Frommel aber erwiderte: "Nicht trotz der Sonntagsfeier, sondern gerade wegen der Sonntagsfeier haben sie mehr gehabt als sonst."
© Alle Rechte vorbehalten