Der schwache Magen
Ein frommes Herz klagte über groß Drücken im Magen; gefragt, woher es müßte kommen, gab es zur Antwort: Ich bin neulich an einem Ort zur Mahlzeit gewesen und muß ja wegen des vielen Nöthigens und durch Veranlassung der Gesellschaft am Essen mein gewohntes Maß überschritten haben, deshalb mein Magen erzürnt sich zu rächen und mich zu bestrafen sucht. So machts Gott mit seinen Kindern, sagte Gotthold, sie müssen auch nicht einmal zu viel essen, sondern sie müssen eine Erinnerung haben, damit sie behutsamer werden. Merket aber an euch und eurem Leibe ein Vorbild der frommen und gewissenhaften Seelen und den Unterschied zwischen ihnen und den Gottlosen. Von den letztern sagt die Schrift: Sie saufen das Unrecht in sich wie Wasser, Hiob 15, 16., das ist, sie verlangt und dürstet nicht allein nach Ungerechtigkeit, sondern sie nehmen auch die Gelegenheit zur Sünde begierigst an, sie haben ihre Lust daran; es ist ihr tägliches Getränk (wie das Wasser in den heißen Ländern war) und sie können ihren Durst anders nicht, als mit Erfüllung ihres bösen Vorsatzes stillen, wohin auch der h. Apostel ohne Zweifel gesehen, wenn er sagt, Eph. 4, 19.: Die ruchlosen Herzen ergeben sich der Unzucht und treiben allerlei Unreinigkeit begierlich, mit großer Lust und Begierde. Wie sie nun die Sünde mit Lust, als eine wohlschmeckende Speise, hinein schwelgen, so können sie sie auch im Gewissen leicht verdauen, sie haben davon nachher kein Leid, keine Schmerzen, keinen Gewissensdruck, sie sind den Trunkenbolden gleich, denen das Saufen eine Gewohnheit und Freude ist, die auf den Morgen von keinem Beschwer wissen und die verlangt, daß sie nur bald wieder dazu kommen. Die gottseligen Herzen aber und zarten Gewissen sind gleich denen, welche das geringste Uebermaß nicht vertragen können, sie sind der Sünde nicht allein von Herzen feind, sondern, so sie etwas versehen haben, sind sie krank daran, das Herz schlägt ihnen, das Gewissen straft und drängt sie, daß sie keinen Frieden haben, ehe sie sich mit Gott in wahrer Buße durch Jesum Christum versöhnen. So ist es nun umsonst, wenn sich ein gottloser Mensch, welchen die Schrift einen Uebelthäter (einen Handwerker, einen Taglöhner der Sünde), Ps. 6, 9., nennt, auf der gottseligen und frommen Seelen Fehler berufen will. Diese sind den Bäumen im Winter gleich, die weder Blätter, noch Früchte, doch Saft und Leben haben, daher zu seiner Zeit wieder ausschlagen, blühen und fruchten, jene aber den dürren Bäumen, die eine Zeit wie die andere ohne Saft, Leben und Frucht und also zum Feuer fertig sind. Die Magnetnadel kann durch Rütteln und Schütteln von ihrem Stande verrückt werden, doch sobald sie Friede hat, kehrt sie wieder zu demselben; die Wetterhähne auf den Häusern richten sich nach allen Winden; so auch die Gläubigen können mit einem Fehl übereilt werden, doch wenn sie nur Zeit haben, sich zu besinnen, werden sie sich bald befleißigen, ihren Fehl zu bessern und zur Gottseligkeit sich zu kehren; die Ruchlosen aber nehmen aller Gelegenheit zur Bosheit wahr und folgen allen Reizungen des Teufels und der Welt. Der Frommen Sünde und Schwachheit ist ihnen ein Geschwür und Eiterbeule, davon sie große Schmerzen haben und sein los zu werden suchen. Den Gottlosen aber ist es ein Kleinod und Brustbild, das sie für eine Ehre und Zierde halten. Mein Gott! ich bitte von Grund meines Herzens, bewahre mich, daß ich die Sünde nicht liebe! Laß mich auch von geringen Fehlern Schmerzen empfinden, erinnere und strafe mich täglich durch dein Wort und H. Geist, durch einen aufrichtigen, christlichen Freund, durch Bangigkeit und Schwermuth des Herzens, durch das liebe Kreuz, oder wie du sonst weißt und willst, daß, wo ichs etwa versehen und sündigen sollte, ich bald inne werde, daß ich gesündigt habe und in herzlicher Demuth durch Jesum Christum Gnade bei dir suche und erlange.
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