Der Schutzengel der Kinder

Die Kinder haben einen Schutzengel; wir sagen's, und wir möchten's glauben. Wie oft sehen wir sie bewahrt von unsichtbaren Händen! Wie vielen Gefahren sind sie ausgesetzt! Wir hätten keine ruhige Stunde mehr, sollte unser Auge, unsere Hand sie behüten. Für wie viel Bewahrung haben wir zu danken, von der wir nicht wissen! Ein Mädchen von sechs Jahren geht in einer kleinen Gebirgsstadt brav auf dem Bürgersteig und hält sein kleines Brüderchen an der Hand. Ich beobachte es vom gegenüberliegenden Fenster. Plötzlich packt die Kleine das Brüderchen am Arm und jagt mit ihm über die Straße auf meine Seite. Da kommt ein Auto die Straße heruntergerast und fährt krachend in den Zaun, gerade an der Stelle, an der die Kinder sich befunden hatten. Erschreckt laufe ich zu ihnen und frage das kleine Mädchen: "Sag einmal, weshalb bist du eigentlich hier herübergekommen, du wolltest doch auf der anderen Seite zum Bäcker?" 
"Ja", antwortet die Kleine überlegend, "ich wollte auch gar nicht herüberlaufen. Weißt du", und das Gesichtchen leuchtet, "das war der liebe Heiland, der hat mich schnell hinübergestoßen, damit Bubi nichts geschieht. Weißt du, der sieht ja alles vom Himmel aus." 
In der Zeitung aber stand: "Zufällig waren zwei Kinder gerade über die Straße gegangen, als... " 

Quelle: Er ist unser Leben: Beispiel- und Stoffsammlung für die Verkündigung, Martin Haug, 1941, Beispiel 326
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