Der Schneeball

Etliche Knaben hatten zur Winterszeit einen Schneeball gemacht und denselben bei gelindem Wetter so lange herumgewälzt, daß er endlich sehr groß und ihnen weiter fortzubringen zu schwer geworden. Hier hab ich, sagte Gotthold, ein artiges Bild der menschlichen Sorgen; die sind oft gering und klein, durch Ungeduld und Unglauben aber machen wir sie so groß, daß wir sie nicht weiter bringen können. Mancher wälzt sein Anliegen bei Tag und Nacht in seinen Gedanken herum und wie diese Knaben von ihrer Mühe nichts anders haben, .als, daß die Vorübergehenden sehen können, daß Kinder da gespielt haben, also hat er nichts davon, als einen wüsten Kopf und mehr betrübtes Herz, als vorhin. Wir wollen oft Gott die Ehre nicht lassen, daß er für uns sorgen soll, sondern, als wäre er zu schläfrig und nachlässig, bringen wir unsere Thorheit seiner Weisheit zu Hülfe. Als wie ein Kind, wenn es den Vater die Sorgsäulen setzen und einen Seufzer nach dem andern lassen sieht, sich auch so geberdet und doch nicht weiß, was es bedeutet, so machen wir es oft mit dem frommen Gott und wollen kurzum mitsorgen, ob wir wohl weniger, als nichts ausrichten und nur ihn erzürnen, daß, da er den Schooß seiner Barmherzigkeit offen hält und heißt uns alle Sorgen kühnlich dahinein werfen, wir ihm dennoch nicht trauen wollen. Mein Gott! du hast das Auge gemacht und solltest nicht sehen? Du hast das Ohr gepflanzt und solltest nicht hören? Du hast das Herz erschaffen und solltest nicht sorgen? Ich will mein Anliegen nicht weiter, als zu dir wälzen, oder, wenn ich dies nicht vermag, will ich dich in mein Herz führen und dir mein Anliegen, das mir zu schwer ist, zeigen, du wirst dann wissen, wie du heben sollst, was ich nicht heben kann

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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