Der schlafwandelnde Kapitän
Ein Kapitän war mit seinem Schiff von Liverpool aus bereits vor dem Hafen von New York angelangt und stand im Begriff, einzufahren, als er plötzlich den bestimmten Eindruck bekam, er solle wieder auf die See zurückfahren. So lenkte er denn unter dem Protest, ja, unter den Drohungen der Mannschaft das Schiff wieder auf die See. Er befürchtete allerdings, dass er seinen Verstand verloren habe, denn es schien so unvernünftig zu sein, wieder auf die See zurückzulenken, da sie am Abend noch in den Hafen hätten einlaufen können. Jedoch sie fuhren zurück, und der Kapitän sagte dem ersten Steuermann, er möge ihn um zehn Uhr rufen. Um zwölf Uhr nachts wurde der Kapitän dann geweckt und sagte: "Was bedeutet das? Ich meinte, sie hätten mich um zehn Uhr wecken sollen, und jetzt ist es zwölf!" - "Ja", erwiderte der Steuermann, "ich rief sie um zehn Uhr, und sie standen auf, schauten um sich und sagten zu mir, ich solle denselben Kurs noch zwei Stunden lang innehalten und sie dann um zwölf Uhr wecken." - "Ist das möglich?", sagte der Kapitän, "dessen erinnere ich mich nicht mehr."
Dann trat er in die Finsternis hinaus, und siehe da, im gleichen Augenblick lichtete sich die Wolke, und der Kapitän erblickte vor sich ein Schiffswrack, auf dem sich, wie sie bald erfuhren, hundert notleidende Passagiere befanden. Diese alle konnten nun gerettet werden.
Wäre das Schiff etwas früher oder auch später an jenen Punkt der See gekommen, so hätte man die Schiffbrüchigen wegen der Dunkelheit nicht sehen können. Als dieselben nun alle glücklich an Bord waren, besprachen sie miteinander, was sie dem Kapitän für ihre Errettung und Verpflegung zahlen wollten. Da aber sagte der Kapitän: "Ihr könnt mir nichts bezahlen; alles, was ich an Bord habe, ist euer; ich fühle mich zu sehr von Gott geehrt, dass ich euch habe retten können, als das ich Bezahlung annehmen könnte."
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