Der Sarg

Gotthold hatte sich zur Erinnerung seiner Sterblichkeit seinen Sarg bei gesunden Tagen lassen machen. Als nun einmal ein weltgesinnter Mensch dessen ansichtig ward und fragte: Wie möget ihr doch dies greuliche Ding leiden? antwortete er: Warum nicht? weil ich weiß oder wissen muß, daß nichts anders daraus wird, als daß ich dermaleinst in einem solchen Hause den jüngsten Tag erwarten werde. Ihr aber, warum mögt ihr es nicht leiden, weil euer Tod so gewiß ist, als der meine? Die Todesgedanken sind, wie der Wermuth, sehr bitter, aber der Seele sehr gesund und dienlich; die wollüstigen Begierden aber der Welt sind wie der Zucker, der zwar süß genug ist, aber am ersten, wenn er überflüssig genossen, in bittere Galle sich verwandelt. Der Tod ist eine Probe unsers Christenthums, die ich nur einmal leisten kann, darum habe ich mein Leben lang daran zu lernen, daß, wenn sie von mir gefordert wird, sie mir nicht fehle. Deshalb leide ich nicht allein diesen Kasten so gern, als kein Geizhals einen andern, darinnen er seinen Mammon verwahrt, sondern ich wünschte auch, daß alle meines Hauses Wände mit Todeserinnerungen beschrieben und bemalt wären. Meinet ihr, daß der H. Geist umsonst uns hat seufzen heißen: Lehre uns, Herr, bedenken, daß wir sterben müssen, auf daß wir klug werden. Ps. 90, 12. Und ihr, wenn ihr wollt klug werden, so sucht Mittel, die euch des Todes oft erinnern mögen. Ihr haltet viel von fröhlicher Gesellschaft; wenn ihr nun wollt fröhlich sein, so bedingt, daß zuweilen jemand unvermuthet das Licht auslösche und dazu sage: Lebet, als wolltet ihr noch heute sterben! Hier zeitlich! Dort ewig! Darnach richte dich! Ihr haltet viel von kostbarer und zierlicher Kleidung; Lieber, folgt meinem Rath und lasset euch euren Sterbekittel verfertigen und hängt oder legt denselben zu den andern Kleidern, auf daß ihr euch der Demuth in Erinnerung eures Todes mögt befleißigen. Ihr geht gerne spazieren; Lieber, geht zuweilen in die Kirchen und auf den Kirchhöfen herum, leset die Grabschriften der Verstorbenen, leset die Sprüche und Gedanken, die sie in ihr Grab mitgenommen, und gedenkt, die Reihe werde an euch auch kommen, und sehet zu, was euer Letztes sein, und wo ihr eure Ruhstatt haben wollt. Ihr haltet viel von eurem Garten; Lieber, nehmet zuweilen einen Stecken und schlaget eine köstliche Blume herunter und gedenket dabei an Hiobs Worte: Der Mensch geht auf wie eine Blume und fällt ab, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht. Hiob 14, 2. Gefällt euch dieses nicht, so sehe ich nicht, wie Gott euer Christenthum gefallen könne.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
© Alle Rechte vorbehalten