Der Ring
Eine vornehme Frau fragte Gotthold, weß sie denn bei den goldenen Ringen, die sie an der Hand trug, zur Uebung der Gottseligkeit sich erinnern sollte. Ist der Ring schlecht und ohne Stein, sprach er, wie die Trauringe zu sein pflegen, so bildet euch allezeit fest dabei ein, daß eure Seele des Herrn Jesu Braut ist, die er sich im Glauben vertraut hat. Darum seid ihm allezeit getreu und befleißigt euch, eure Seele von der Welt und aller Unreinigkeit unbefleckt, wie eine reine und keusche Jungfrau, zu erhalten. Fallen euch weltliche, fleischliche und sündliche Gedanken bei, so nehmt sie nicht anders an als unkeusche Zumuthungen des Satans, der euch dem Herrn Jesu abspenstig machen will. Ist ein Stein im Ringe, so gedenket, daß unser Glaube also müsse Christum, den hellen Jaspis und Rubin, eingeschlossen halten, weil der Glaube sonst und an sich nicht viel, mit Christo aber und durch ihn des ganzen Himmels werth ist. Weil wir die Ringe auch mehrentheils an der linken Hand zu tragen gewohnt, (davon jener sinnreiche Kopf wohl gesagt, es wäre ein Vorbild, wie oftmals der Ehren müßten beraubt sein die, welche sie am meisten verdient, weil die rechte Hand mit der Feder, dem Degen und allerlei Arbeit die Ringe verdienen und erwerben, der Linken aber, die das wenigste thäte, die Ehre selbe zu tragen gönnen müßte), so sehet auch auf euch selbst, ob ihr unverdienter Ehren genießet, als daß man euch christlich, tugendreich, fromm, wohlthätig nennet, da ihr doch von euch selbst überzeugt seid, daß ihr das zu sein, was euch diese Titel nennen, noch nie euch ernstlich beflissen. Das Gold ist das edelste unter den Metallen, rein und fein, im Feuer bewährt, weich, und läßt sich leicht bearbeiten, auch weiter ausdehnen, als kein anderes Erz, und giebt den geringsten Schall von sich, wenn es mit dem Hammer getrieben wird. Also befleißiget euch, ein reines und feines Herz zu haben, lasset euch auch Gottes Prüfefeuer, das liebe Kreuz, nicht zu wider sein, denn dies ist eben das Mittel, dadurch die wilde Unart dem Herzen ausgebrannt wird. Seid auch mitleidig, freundlich und friedsam, dehnet euren Willen den Dürftigen zu dienen aufs weiteste aus, als möglich ist, lernet auch geduldig und stille sein, wenn der Höchste mit dem Kreuzhammer an euch arbeitet, in Erwägung, daß es euch zum Besten dient. Wenn man solche und dergleichen Gedanken allezeit hätte, so würden die Ringe mit weniger Sünde und mehrerem Nutzen getragen- Wenn aber das nicht geschieht, so hört, was ich von euren Ringen halte. Ich habe eine arme alte Frau gekannt, die pflegte, wenn sie etwas Angelegenes denken wollte, einen Faden oder Strohhalm um den Finger zu winden; wenn nun ihr jemand solches nachthäte, seines Christenthums, seines Gebets, seines guten Vorsatzes Gott und Menschen zu dienen sich dabei zu erinnern, so achte ich solchen Faden oder Strohhalm höher, als alle theuren Ringe, die zur Ueppigkeit ohne Gottseligkeit getragen werden.
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