Der Richtgeist - des Teufels bester Diener
Der Teufel hielt einmal Musterung unter seinen bösen Geistern. Dem, der ihm am besten diente, wollte er eine Krone geben. Da kamen sie alle in langem Zug: Der finstere Hass, die Unversöhnlichkeit, die schillernde Unkeuschheit, die Augenlust, der dürre Geiz, die Geldgier, die freche Lüge, die Unlauterkeit, alle loben sich aber keinem wird die Krone zuteil. Da tritt aus dem Dunkel noch ein unscheinbarer Geist hervor. Ruhig und siegesgewiss steht er vor seinem finsteren Meister und spricht: "Mir gebührt die Krone. Ich habe meine Wohnung bei jedem Menschen. Die Kinder schon dienen mir, und noch die Alten kommen nicht von mir los. Freche Sündendiener sind meine Freunde, aber auch keinem guten Christen bin ich unbekannt. Ja, gerade bei den ganz Frommen bin ich zu Haus, und sie merken es sogar selbst nicht. Wer sich mit mir einlässt, fällt schnell und ganz unversehens in viele kleine, feine Sünden, die dann, alle vereint, den zu Fall bringen, der meinte, so fest zu stehen. Mancher liegt das ganze Leben lang mit mir im Kampf und besiegt mich nicht. Wo ich bin, da kehren bald alle guten Geister den Rücken, zuerst unser ärgster Feind die vielgepriesene Liebe!"
Immer größere Lust und Befriedigung malen sich in des Satans Zügen: "Und wie heißest du, mein fleißiger Diener?" - "Viele Namen hab ich für einen. Überall da bin ich zu finden, wo man gern schlechtes über den Nächsten redet, da, wo man mit geheimer Lust Nachteiliges über ihn hört, da, wo man nichts entschuldigen will, wo man nichts zum besten kehrt. Nenne mich Verleumdung, Richtgeist, - oder auch nur Üble Nachrede, du triffst mich mit alldem." Und in hellem Triumph schließt er: "Suche dir auf der ganzen Erde einen Menschen, der mir nicht dient. Findest du den, so gib die Krone einem anderen." Da gab ihm der Teufel die Krone und alle bösen Geister stimmten mit ein: Ihm gebührt der Preis!
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