Der Prediger und die Beterin
Ein Prediger zog mit seiner Beredsamkeit große Massen an und gewann viele für den Heiland. Dies machte sein Herz leider stolz, doch wusste ihn der Herr zu demütigen. Ihm träumte, der Tag des Gerichts sei angebrochen und er näherte sich mit großem Sicherheitsgefühl dem Throne Gottes. Zu seiner Verwunderung jedoch wies man ihm das unterste Gemach an. "Wahrlich," rief er aus, "ich bin doch wohl größerer Ehre wert! Sind nicht viele Menschen durch meine Predigt gerettet worden?" - "Nein," antwortete der Richter, "die Ehre gebührt nicht dir; hast du jene alte Frau vergessen, die immer in deine Kirche kam? Sie konnte nicht sehen, denn sie war blind; sie konnte nicht hören, denn sie war taub. Aber sie hatte das Haus Gottes lieb und sie pflegte aus ihrem geringen Platz zu sitzen und zu beten, dass der Herr das Wort bekräftigte. Es war nicht dein Predigen, das diese vielen Seelen rettete, es waren ihre Gebete."
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