Der Pokal

Es wurde auf einer Tafel ein silberner vergoldeter Pokal von künstlicher getriebener Arbeit aufgesetzt, darüber Gotthold in folgende Gedanken gerieth: unter diesem und einem andern Silber ist kein anderer Unterschied, als daß dieses mehr bearbeitet und unter dem Hammer gewesen ist; sonst wäre es ein so köstliches und schönes Trinkgeschirr nicht geworden. Wie kommts denn uns Menschen so seltsam und fremd vor, wenn der allweise Gott uns rechtschaffen mit dem Kreuzhammer klopft? Wir gehen mit seinen Geschöpfen um, wie es uns beliebt, und gestalten dieselben auf allerlei Art nach unserm Willen; warum nehmen wir es denn übel auf und beschweren uns über ihn, wenn er uns auch durchs Kreuz bearbeitet und bildet nach seinem Willen? Oder haben wir ein besser Recht oder Gemüth zu den leblosen Geschöpfen, als er zu uns? Und was wollte doch Gutes aus uns werden, wenn sich nicht der fromme Vater mit uns bemühte? Die Thaler und Dukaten, die wir oft sehr lieben, würden des königlichen und fürstlichen Bildnisses nicht fähig geworden sein, wenn sie den Hammer und Stempel nicht hätten leiden wollen; also wird niemand zum Bilde Gottes erneuert, der sich nicht unter das liebe Kreuz; geduldig und willig bequemt. Unter dem Geräthe der Stiftshütte Alten Testaments war nicht das geringste der goldene Leuchter mit seinen 7 Rohren und stets brennenden Lampen; dieser aber hat nicht müssen gegossen oder zusammen gelöthet, sondern aus einem Centner Goldes durch künstliche Arbeit mit dem Hammer getrieben sein. 2. Mos. 25, 31. ff. Damit hat Gott der Herr andeuten wollen, daß niemand hier auf Erden mit heilsamer Lehre und heiligem Leben und im Himmel mit ewiger Klarheit leuchten könne, den er nicht unter seinem Hammer gehabt und nach seinem Wohlgefallen getrieben und bearbeitet habe. Denn, siehe, selig ist der Mensch, den Gott straft! Darum weigere dich der Züchtigung des Allmächtigen nicht. Hiob 5, 17. Mein Gott! es fehlt nirgends an, als daß wir deine Arbeit nicht verstehen. Du willst geheiligte Gefäße zu Ehren, dir bräuchlich und zu allem guten Werk bereitet, 2. Tim. 2, 21., aus uns machen, so wollen wir lieber Taugenichtse bleiben, daß unserm sündlichen Fleisch nicht weh geschehen möge, allein, mein Vater! kehr dich an unsere Thorheit nicht! Der Teufel, die Welt und allerlei Widerwärtigkeiten sind deine Hämmer; klopfe nur wohl, mein Gott, damit ich zeitlich und dort ewig ein nützliches Ehrengefäß werden möge.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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