Der nützliche Bambusbaum

In einem Garten stand ein wunderbarer Bambusbaum. Der Herr des Gartens freute sich an seiner Stärke und Schönheit. Eines Tages sagte er zu dem Baum:
»Lieber Baum, ich brauche dich.« Der Baum antwortete: »Ich bin zu allem bereit.« - »Geliebter Baum, dazu muss ich dich fällen.« - »Oh, nur das nicht!« flehte der Baum. - »Wenn ich dich nicht fälle, kann ich dich nicht gebrauchen.« - »Dann schlage zu«, sprach der Baum leise. Nun ging der Herr auch noch daran, von dem Stamm die Äste und Blätter zu entfernen. »Nicht auch das noch!« schrie der Bambus. Aber der Herr sagte: »Ich kann dich nur ohne Äste und Blätter gebrauchen.« Schließlich zerteilte der Herr den Stamm von oben bis unten. Unter Schmerzen vertraute der Bambus dem Handeln seines Herrn. Dann trug der Herr den Baum zu einem Brunnen und verband durch ihn den Brunnen mit einem ausgetrockneten Feld. Der Bambus leitete das Wasser auf das durstige Land. Reis wuchs auf und sättigte viele. Der Bambus war für sich selbst schön gewesen. In seiner Demut war er für andere da und brachte ihnen das Leben.
Neukirchener Kalender 1990

Quelle: Wie in einem Spiegel, Heinz Schäfer, Beispiel 1847
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