Der Neid um die Rüstung

Eine Geschichte erzählt von einem Vater, der den zarten jüngeren, dem älteren, etwas wilden Sohn vorzog. In einem Schaufenster hatten die Jungen eine blanke Kürassierrüstung gesehen und, begeistert davon, wünschten sie beide sich diese zu Weihnachten. Für den Jüngeren war sie fast zu groß. Weil jedoch der Ältere sich durch seinen Trotz des Vaters Tadel zugezogen hatte bekam sie der Jüngere.

Das ganze Weihnachtsfest war dem Älteren verdorben. Obwohl der Jüngere ihm versicherte, dass er die Rüstung oft tragen dürfe und die Mutter dem Älteren ihre besondere Liebe schenkte, blieb er verschlossen. Die Nacht lag er wach - der Neid ließ ihm keine Ruhe.

Am nächsten Tag wollten die Kameraden Krieg spielen. "Wer soll der Hauptmann sein?", fragte der große Bruder finster und schlug vor, der Kleine sollte in seiner Rüstung vorauslaufen und einen Vorsprung erhalten. Wer ihn einhole, bekomme die Rüstung. Keuchend stürzte der Kleine in seiner schweren Rüstung den Berg hinab wie ein gehetztes Reh. Bald hatte der Ältere ihn eingeholt, zog die Rüstung an, und das Spiel ging weiter.

Der Abend kam heran. Wo war der kleine Bruder? Jetzt erst fiel es Eberhard ein, dass er gar nicht mitgespielt hatte, sondern sich weinend auf den Boden gelegt hatte. Eine Angst erfasste ihn, der Bruder war ja kränklich... Wie er nach Hause kam, fand er den Bruder krank. Nach vierzehn Tagen war er tot.

Viele Jahre sind verflossen. Eberhard ist ein alter Mann geworden. In seiner Wohnung hat er einen alten Schrank. Niemand weiß, was darin lag, nur ein naher Freund durfte einmal hineinschauen. Darin waren Stücke einer alten Kinderrüstung. Er hat dem Freund die Geschichte erzählt. Durch sein ganzes Leben hat er Leid getragen um seinen Bruder. Tief erschüttert schloss er seine Erzählung: "Gott bewahre uns vor dem Neid!"

Quelle: Hört ein Gleichnis, Heinz Schäfer, Beispiel 135
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