Der Mißwachs
Es war wegen der dürren Zeit und des ausgebliebenen Regens ein Mißwachs eingefallen, vornehmlich in den Sommerfrüchten, welche theils nicht zu mähen waren, weil sie ganz kurz, halbspannenlang, ohne Körner, von der Hitze ausgebrannt und verderbt. (1661.) Hierüber entstand nun viel Klagens unter den Ackers- und andern Leuten, also, daß kaum zween zusammen kamen, die nicht ihre Kleinmüthigkeit bezeigten und theils unverantwortlich redeten. Gotthold sagte hierauf: Nun erfahre ich in der Wahrheit, daß ihm also sei, wie das Sprüchwort sagt: daß, wenn uns Gott auf dem Rücken nach Rom trüge und setzte uns nur ein wenig unsanft nieder, so würde er keinen Dank verdienen. Mich wundert, daß wir nicht zurückdenken an die reichen Jahre, der wir so viele nach einander gehabt. Ich kann mich nicht erinnern, daß ich damals so viel Ruhm und Preis des göttlichen Segens gehört, als man jetzt Klagen über den Mangel vernehmen muß; doch das ist unsere Unart, daß wir Gottes Wohlthaten gering, seine Strafen aber groß und größer, als wirs verdient, achten, da doch seine Güte und unsere Sünde unzählbar, hingegen seine Strafen und unser Wohlverhalten ganz gering sind. Machet Rechnung, liebe Leute, so werdet ihr befinden, daß die vorigen Jahre so viel gebracht, daß sie diesen geringen Ausfall leicht heben können, wenn wir nur, was sie gebracht, zu Rath gehalten und nicht liederlich verschwendet haben. Erkennet auch eure Sünde und Gottes Recht und Macht wider uns, weil er, auch wenn er alle Jahre nichts wachsen und uns verschmachten ließe, uns nicht Unrecht thäte; bedenket auch, daß es dem lieben Gott dennoch nicht schwer sei, der Frommen geringen Vorrath zu vermehren und ihnen ihr reichliches Auskommen auch im Mangel zu verschaffen. Mein Gott, du milder und gnädiger Herr! gieb mir ein solches Herz, das sich genügen lasse und könne beides, satt sein und hungrig sein, beides, übrig haben und Mangel leiden. Phil. 4, 11. 12.
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