Der Meineid

Der Kreuzweghosbauer wollte ein armes Mädchen heiraten, aber die Verwandtschaft ließ es nicht zu. Da wurde er schwer krank. Vor seinem Sterben vermachte er jenem Mädchen den Hof und schickte seinem Bruder das Testament. Entsetzt hielt der Bruder das Papier in Händen - des Vaters reiche Erbschaft sollte in fremde Hände kommen! Wochenlang gab er das Papier nicht heraus, bis das Mädchen klagte. Vor Gericht kam ihm zum erstenmal der Gedanke, zu sagen, dass kein Testament vorhanden sei. Trotzig ging er heim. Da forderte das Gericht das nächstemal von ihm einen Eid. Sollte er jetzt die Wahrheit sagen? In Elend und Schande kommen? ... Um seiner Frau und Kinder willen hat der Bauer geschworen, dass kein Testament da wäre... Die Hand wurde ihm schwer wie Blei, als er die Finger zum Schwur aufheben sollte... aber er tat es. - Der Bauer blieb auf seinem Hof. Seine Felder trugen reich. Er war immer in der Kirche zu sehen und gab reichlich für die Armen. In Wahrheit hatte er keine glückliche Stunde mehr. Das Unrecht, das er getan, zehrte an seinem inneren Leben, bis er starb. Selbst im Sterben konnte er nicht mehr die Hände zu einem Gebet falten.

Quelle: Er ist unser Leben: Beispiel- und Stoffsammlung für die Verkündigung, Martin Haug, 1941, Beispiel 2016
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