Der Kürbis

Gotthold fand in einer Stube einen Kürbis, welchen der Hausherr mit seinem Namen, der Jahreszahl und etlichen andern Buchstaben, seinen Denkspruch vorbildend, bezeichnet hatte, und sagte: Sehet ihr, was ihr in den zarten und kleinen Kürbis geritzt oder geschnitten habt, wie dasselbe aus und mit ihm gewachsen ist, also, daß man noch jetzt eure Hand daran erkennen kann? Lieber, machet es auch so mit euren Kindern, weil sie noch zart und jung sind. Eure Zunge muß ein Griffel sein eines guten Schreibers, Ps. 45, 2., damit ihr ihnen die Gebote Gottes, die Liebe zur Tugend und den Haß der Sünde müsset ins Herz graben und schreiben. Was ihr ihnen von Kindesbeinen auf einschneidet und einbildet, das werdet ihr hernach an ihnen lesen und erleben. Manchen Eltern sind ihre Kinder ein Brief mit Ach und Weh auswendig und inwendig beschrieben, Hesek. 2, 10., ich will sagen, sie hören, erfahren und erleben an ihnen lauter Herzeleid, allein sie haben es sich selbst zu danken, weil sie ihnen durch ärgerliche Reden, böse Beispiele und Verzärtlung, wie auch durch Versäumung guter Zucht die Bosheit in der Jugend eingedrückt, die nach und nach ausgewachsen und endlich fast unauslöschlich geworden ist. Ach, wann werden wir Christen anfangen, die Kinderzucht besser zu beobachten! Dem ärgerlichen gottlosen Wesen, das wir an so vielen unchristlichen Christen täglich mit Schmerzen sehen, ist nicht anders und nicht eher abgeholfen, als, wenn wir der Jugend anstatt der Frechheit, der Ueppigkeit in Kleidung, der Hochhaltung ihrer selbst, der Spitzfindigkeit und Verschlagenheit die Gottesfurcht, die Demuth, die Sanftmuth, die gewissenhafte Einfalt und andere Tugenden einpflanzen. So lange wir unsere Kinder nicht gewöhnen, daß sie eine Sünde zu begehen schmerzlicher empfinden, als den Verlust von tausend Reichsthalern, ja ihres Lebens, so lange werden wir keine bessere Christen hinter uns lassen. Mein Herr Jesu! schneide deinen h. Namen tief in mein und der Meinigen Herz, daß wir deiner und der Pflicht, damit wir verbunden sind, nimmermehr vergessen!

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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