Der Kindergarten
Etliche Kinder, die sich aus der Nachbarschaft zusammen gethan, hatten Blumenzwiebeln und Kräuter, so man aus einem Lustgarten ausgeworfen, gesammelt, pflanzten dieselbe auf einen grünen und freien Platz, umsteckten sie mit Stecken und machten einen Zaun darum von Reifem und schöpften große Lust aus diesem ihrem neuangelegten, stattlichen Lustgarten, wobei sie auch so viel Worte verloren, als hätten sie Reichshändel vorgehabt, und so arbeiteten, daß sie schwitzten. Gotthold ging mit einem Freunde vorbei, sah die kindliche Lust mit Lust an und sagte: Was ist denn nun für ein großer Unterschied zwischen der Bemühung der Alten und der Kinder? Diese bauen Häuser, pflanzen Gärten, zählen Geld, halten Hochzeit und Freudenmahl, machen Könige, Fürsten, Herren, Bürgermeister, Prediger, Schulmeister, führen Krieg, machen Generalspersonen und Obristen und bemühen sich, bis sie des Spiels müde werden und hungrig und durstig nach Hause kommen oder schlafen gehen. Was thun wir Alten mehr? Sie haben wol so viele, ja wol mehr Lust an ihrem Spiel, als wir von unserm Ernst; unsere Lust hat oft große Unlust, unsere Ehr groß Beschwer, unser Bauen ein Grauen (wegen der großen Kosten) bei sich; sie verlieren und verspielen die Zeit, wir auch; ihre Arbeit hat keinen Bestand, unsere auch nicht, wenn sie schon etwas länger währt; ihre Mühe bringt schlechten Nutzen, unsere auch; sie meinen oft, sie haben etwas Wichtiges vor, und wir haltens für Thorheit; wir meinen auch oft, wir thun große Dinge und tragen die Welt auf unsern Schultern, und Gott lacht unser, wie Luther artig sagt: „Die klügsten Menschen sind Gottes Närrchen, über deren Thorheit er lachen muß.“ Sie meinen oft, sie seien reich, wenn sie etliche Zahlpfennige oder Geld von Kartenblättern geschnitten oder gar Topfscherblein in ihrem Säcklein tragen, müssen aber, wenn sie ihr Geld beim Bäcker ausbieten, Brod zu kaufen, erfahren, daß es nicht gilt und man ihrer lacht; so meinen wir, wenn wir ein Dutzend Dukaten oder etwas haben, wir sind große Leute, wenn wir aber damit vor die Himmelsthür kommen, s) sagt man, es sei Dreck, und niemand will unser Geld kennen. So ist nun dies Leben ein Kinderspiel bei Jungen und Alten, es sei denn, daß wir nach der seligen Wiedergeburt aus Gott in Christo wachsen und abthun, was kindisch ist, 1. Cor. 13, 11., und nach solchen Dingen trachten, die da werth sind, daß sich eine unsterbliche und göttliche Seele damit bemühe. Zu wünschen wäre es auch, daß wir in unserm Thun das Herz so frei behielten, als wie die Kinder bei solcher Arbeit; sie spielen eine Weile damit, werdens aber bald müde und reißen selbst wieder ein, was sie gebaut haben, gramen sich auch nicht, wenn sie es von andern eingerissen finden; so sollen wir auch sein nach der Lehre des h. Apostels, 1. Cor. 7, 30. ff.: Die sich freuen, sollen sein, als freuten sie sich nicht; die da kaufen, als besäßen sie es nicht; und die dieser Welt brauchen, sollen derselbigen nicht mißbrauchen, denn das Wesen (der Schein, das Ansehen, die Larve, die Verthörung) dieser Welt vergeht. Indem sie fortgingen, fiel ihm weiter bei ein artiges Sinnbild zur Gottseligkeit dienend. Die Kinder, sagte er, haben doch ihre Blumen und Kräuter nicht ohne Zaun wollen sein lassen; lasset uns auch unser Herz mit den heiligen Gedanken und Vorsätzen, die Gott durch seinen H. Geist darin gepflanzt hat, nicht unbewahrt lassen, wovon ein erbaulicher Schriftsteller (Franz von Sales) spricht: „Sobald sich die thörichten Lüste des Fleisches spüren lassen, so wende ihnen den Rücken zu und nimm deine Zuflucht zu dem Kreuze deines Heilandes und nimm seine Dornenkrone, laß dieselbe dir anstatt eines Zauns um dein Herz dienen, dasselbe zu bewahren vor den kleinen Füchsen, Hohel. 2, 15., vor den sündlichen Lüsten, daß sie zu demselben nicht gelangen können.“ Ach, mein Herr Jesu! mache du einen solchen Zaun um mein Herz, so wird es wohl verwahrt sein!
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