Der Jemand hat es vergessen!

Ein Junge aus einer gläubigen Familie, in der es durch einen geringen Verdienst recht kümmerlich und sorgenvoll zugeht, hat in der Schule manchen Spott zu ertragen wegen seiner Glaubenszuversicht und wegen seines ärmlichen Aussehens. So recht spöttisch spricht da eines Tages ein gut gekleideter und wohlgenährter, älterer Schüler zu ihm: "Wenn ihr so viel betet, warum schenkt euch denn der liebe Gott nicht mehr?"
Unerschrocken antwortet der Junge, wie er's kürzlich einmal aus Vaters Mund gehört hat: "O, er gibt schon, aber er gibt durch Menschen."
Der andere lacht und spricht: "Na, warum hat er es denn nicht längst schon jemandem gesagt, dass er dir einmal einen anständigen Anzug schenken soll?" Da traten dem Kleinen, der gerne schon lange seinen abgetragenen und zu klein gewordenen Anzug mit einem besseren und größeren vertauscht hätte, die Tränen in die Augen, und mit einem tiefen Seufzer gibt er zur Antwort: "Ja, gesagt hat er es jemandem; aber  -  der Jemand hat es vergessen!"
Wie manch einem wird das "Vergessen" in der Sterbestunde auf dem Gewissen brennen. Man hatte Gelegenheit erhalten zum Geben, und man hat es versäumt. Nun ist's zu spät. "Was ihr nicht getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir auch nicht getan."

Quelle: Hört ein Gleichnis, Heinz Schäfer, Beispiel 446
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