Der Jahrmarkt

Als in einer Stadt ein Jahrmarkt gehalten wurde, wozu sich eine große Menge Volks eingefunden hatte, sagte Gotthold: Den größten Theil dieser Menge hat die Hoffnung des zeitlichen Gewinns aufgebracht, welchen man die Sonne der Weltherzen, dem sie als die Sonnenblume stets folgen, oder, mit jenem klugen Niederländer, das fünfte Evangelium des verhaßten (rasenden, verderbten) Christenthums und den größten Abgott der jetzigen Welt, dem viel tausend Seelen dienen und huldigen, nennen kann. Ach, wenn doch auch solche eifrige Begierde des geistlichen Gewinns bei uns wäre! Ein Marktschreier tritt auf und beschreit seinen Lügenkram mit vollem Halse; um ihn versammeln sich etliche hundert Menschen und hören ihm unverdrossen zu. Ein Prediger und Diener des Herrn Jesu tritt auf und beut allen und jeden die Hülfe und Gnade seines Herrn an; aber ach! wie wenig sind, die ihrer herzlich begehren! In den Märkten ist alles zu Kauf, auch die Menschen selbst und ihre Seelen. Ja, was das Wundersamste ist, viele Menschen verkaufen keine Waare wohlfeiler, als ihre Seele. Judas, der Verräther, hat seinen Herrn und Meister um 30 Silberlinge verkaufen wollen, allein wenn maus recht bedenkt, hat der elende Mensch seine eigne Seele verkauft; doch hat er sie, gegen die heutige Welt zu achten, noch theuer genug ausgebracht. Wenn mancher jetzt 30 Silberlinge gewinnen und einstecken könnte, ich halte, er verkaufte nicht nur eine, sondern wol 30 Seelen, wenn er sie nur hätte. Dünket uns dies zu viel zu sein, so bedenket, ob nicht, so oft der Mensch durch unrechtmäßige und gottlose Mittel etwas an sich bringt, er sein Gewissen beschwert, wider seinen Gott sündigt und seine arme Seele, so viel an ihm ist, um schnöden Gewinnes willen verkauft. Nun besteht aber solcher Gewinn nicht allezeit aus 30 Silberling, sondern manchmal kaum auf 30 Pfennige; heißt denn das nicht seine arme Seele liederlich und wohlfeil verkauft? Ach, wir elenden Menschen! wie kommts, da wir alles so genau abwägen und abmessen und in den Welthändeln so verschlagen sind, daß wir das Zeitliche gegen den ewigen Verlust nicht messen und in Sachen, unsere Seligkeit angehend, so dumm sind, als kein Vieh? Wenn ich einen ungerechten Mann fragen sollte, ob ihm sein Herz feil wäre, würde er sofort mit Nein mir antworten, und wenn ich ihm hundert tausend Dukaten für dasselbe bieten würde, so würde er doch sagen: Ich wäre ein Narr, wenn ich das Herz um Geld verkaufte, ohne welches ich nicht leben kann; ohne Leben aber wäre mir kein Geld nütze. Ach, mein Mensch! ist dir nun dein zeitliches Leben für kein Geld feil, wie giebst du denn deine Seele und das ewige Leben so liederlich dahin? Warum schätzest du so gering, was Gott so hoch geachtet, daß ers mit dem Blute und Tode seines einigen und allerliebsten Sohnes erkaufen wollte? Ich meinestheils halte es mit dem h. Apostel, der da sagt: Es ist ein großer Gewinn, wer gottselig ist und läßt ihm genügen, denn wir haben nichts in die Welt gebracht, darum offenbar ist, wir werden auch nichts hinaus bringen; wenn wir aber Nahrung und Kleider haben, so laßt uns begnügen. 1. Tim. 6, 6. 7. 8.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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