Der Hund

Gotthold sah einen Hund bei sich hinschleichen, welcher einen Knochen im Munde trug und, als er ganz fleißig sich umsah und etlichemal lauschend stehen blieb, konnte er leicht erkennen, daß er solchen übrigen Bissen, wie der Hunde Gewohnheit ist, zu verscharren willens wäre, welches auch bald erfolgte. Hiebei gedachte er an das Wort des weisen Mannes, der da spricht: Einem Lauser steht’s nicht wohl an, daß er reich ist, und was soll Geld und Gut einem kargen Hunde? Sir. 14, 3. Dieser Hund, sagte er ferner bei sich selbst, hat etwa ein Stücklein erübrigt, oder hat bei bevorstehendem Ungewitter (wie man dafür hält) keinen Appetit, solches zu verzehren, gönnts aber doch einem andern nicht, sondern will’s lieber vergraben und vergessen. So sind die Geizigen gesinnt, die ihren gesammelten Vorrat!) für sich und andere verschließen. Ich hätte nicht gemeint, daß Leute in der Welt wären, welche ihren Schah in die Erde verscharren und auch im Todbette, wie fleißig sie auch darum befragt werden, ihn lieber vergraben sein, als andern gönnen und lassen wollen, wenn ich nicht Exempel erlebt hätte. Das sind wol rechte Hunde, denen aller Welt Gut nichts nützen würde, die auch, welches schrecklich ist, in die Stadt Gottes nicht eingelassen werden. Offenb. 22,15. Ach, mein Gott, du einiger Gott! behüte mich, daß ich nicht aus den zeitlichen Gütern mir einen Neben- und Abgott mache, der mich gewiß von dir ab und neben der Seligkeit hinführen würde; was zeitlich ist, das gehört für die Welt, ihr damit zu dienen. Wohl dem, der mit dem Vergänglichen zum Ewigen handeln und wuchern kann.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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