Der Holzträger
Ein alter und armer Mann pflegte aus der Stadt in den nächst gelegnen Wald zu gehen und sich einen ziemlich großen Bund Knittel und Aeste zu sammeln und nach Haus zu tragen. Als er nun einmal unier solcher Last Gotthold begegnete, sagte dieser bei sich selbst: mein Gott! ich danke dir, daß du mir bisher so viel Mittel aus Gnaden beschert hast, daß ich auf solche Weise mein Holz zu holen nicht bedurft; ich bin nichts besser, als dieser Mann, ohne sofern mich dein gnädiges Wohlgefallen ihm vorgezogen hat. Doch hab ich manches Mal meine innerliche und äußerliche Kreuz- und Seelenlast, die ich öfters mit einer solchen Holzbürde gern vertauschen wollte, wenn ich nicht bedachte, daß nicht bei mir, sondern bei dir die Wahl steht, was der Mensch tragen soll. Und warum wollte ich mich weigern, meinem Herrn Jesu sein Kreuz nachzutragen? Im weitern Fortgehen sagte er ferner: wie kann doch ein Mensch um eines geringen Lohns oder Genusses willen so eine schwere Last tragen, und um des Herrn Jesu und seines Himmels willen will er nichts erdulden, nichts ertragen? Eine Last Holz können wir tragen ohne Widerrede, und ein unebnes Wort oder geringen Fehler unsers Nächsten wollen wir nicht erdulden, wozu uns doch der Apostel so ernstlich ermahnt, sagend: Liebe Brüder, so ein Mensch etwa von einem Fehler übereilt würde, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmüthigem Geist. Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. Gal. 6, 1. 2. Angleichen: Einer vertrage den andern, und vergebt euch unter einander, so jemand Klage hat wider den andern; gleich wie Christus euch vergeben hat, also auch ihr. Col. 3, 13. Daß wir aber diesem so wenig nachkommen, kommt daher, daß wir die Langmuth Gottes, dadurch er unsere Sünden übersieht, die Geduld des Herrn Jesu, damit er unsere Sünde getragen, und unsere eigne Sündenlast, damit wir beladen sind, nicht in Betrachtung nehmen. Mein getreuer Gott! ich bitte dich, lege und erwäge auf gleicher Wage meine Last und meine Geduld. Giebst du das eine, so gieb auch das andere. Ich will gerne tragen, was ich soll, nur ohne deine Hülfe nicht. So du mich mit deiner Gnade stärkst, soll mir keine Bürde in der Welt zu schwer sein. Denn deine Kraft ist in den Schwachen mächtig. 2. Cor. 12, 9. Allein daran gedenke ich, wie froh ich werde sein, wenn ich meine Last bei dem Ausgang aus der Welt werde abwerfen und frei und ledig unter dem Geleit deiner h. Engel dem Himmel zuwandern.
Wie werd ich dann so fröhlich sein,
Werd singen mit den Engelein,
Und mit der Auserwählten Schaar
Ewig schauen dein Antlitz klar!
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