Der Hecht

Als Gotthold am Ufer eines Wassers spazieren ging, sah er einen Hecht an der Sonne stehen, welchem die lieblichen Strahlen so wohl und sanft thaten, daß er darüber sein selbst vergaß und der Gefahr, darin er schwebte, maßen denn ein Knabe ihm eine Schleife, von Pferdehaar gemacht und an einem Stab befestigt, fein geheb über den Kopf zog und ihn unversehens aus dem Wasser rückte. Hilf, mein Gott! sagte Gotthold bei sich selbst mit einem tiefen Seufzer, wie eigentlich sehe ich hier abgebildet die Gefahr meiner armen Seele! Wenn uns die Strahlen der zeitlichen Glückseligkeit nach Wunsch anspielen, so thut es oft unserm verderbten Fleisch und Blut so wohl, daß es sich in schnöder Lust und Ueppigkeit ganz vertieft und in großer Sicherheit an die Seelengefahr und unendliche Ewigkeit wenig gedenkt, und darüber wird mancher plötzlich hingerückt zum ewigen Verderb seiner Seele. Verleihe mir, mein Gott! die Gnade, daß ich mich freue, als freuete ich mich nicht, daß ich kaufe, als besäße ich es nicht, daß ich dieser Welt brauche und ihrer nicht mißbrauche, weil das Wesen dieser Welt vergeht. 1. Cor. 7, 30. 31. Laß bei aller Lust und Freude das meine höchste Freude sein, daß ich mich zu dir halte, Ps. 73, 28., und deiner Furcht nimmer vergesse. Zerreiß auch die Schleifen des Satans, die ich Elender nicht sehe, womit er meine Seele zu bestricken gedenkt, so will ich dich in Ewigkeit loben und preisen.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
© Alle Rechte vorbehalten