Der Hamster

Gotthold sah im Felde etliche Hirtenjungen beschäftigt, einen Hamster auszugraben, welchen sie auch endlich in seiner Wohnung, die er gegen den Winter mit einem ziemlichen Vorrath von Korn versehen hatte, ertappten; er sträubte sich zwar, sprang und prustete ihnen entgegen, aber es wollte nichts helfen; sie gingen so künstlich mit ihm um, daß sie ihm endlich einen Strick um den Hals brachten und hernach nach allem ihrem Belieben mit ihm gebarten, bis er mit dem Leben bezahlt hatte. Gotthold fiel hiebei ein, daß er vor diesem von dem Thier gelesen, daß es so neidisch und böse, daß es auch sein eigen Weiblein von dem gesammelten Vorrath gegen den Winter ausschlösse und wegbisse, welches aber so klug, daß es von der andern Seite einen Gang dazu macht und also dennoch, da es der Neidhammel nicht merkt, mit ißt. Nun, sprach er bei sich selbst, hab ich an diesem Thier ein Bild jenes geizigen Kornbauern, dessen Feld wohl getragen hatte, und der sich Gedanken machte, wie er seine Scheuern größer bauen und seines großen Vorraths auf viele Jahre wohl genießen möchte, zu dem aber unser Erlöser spricht: Du Narr, diese Nacht wird man deine Seele von dir nehmen, und weß wirds sein, das du bereitet hast?Luc 12,16. ff. Es wäre zu wünschen, daß dieser Narr und jenes Thier nicht jetzt noch viele ihres Gleichen in der Welt hätten. Ach, wie mancher sammelt mit anderer Leute Schaden! Er baut sich ein Raubnest, wie der Hamster sein Loch, darin er alles, was er durch Recht und Unrecht erfischen kann, zusammenträgt, und ist so voll Ungenügsamkeit, Neid und Unbarmherzigkeit dabei, daß er immer seinem Dünken nach arm bleibt, seines dürftigen Nächsten Noth nicht zu Herzen nimmt und keinem Menschen, auch sich selbst kaum, etwas gönnt oder zu Gute thut. Und was kann närrischer sein, als das Ewige vergessen und das Zeitliche sammeln und in der Zeit nicht gebrauchen? Darum muß endlich der große Narr davon und sein Gut andern lassen, dabei er (ach viel zu spät!) erfährt, daß er sich selbst ewige Qual und andern zeitliche Freude bereitet hat. Das heißt: Sie machen ihnen viel vergeblicher Unruhe, sie sammeln und wissen nicht, wer es kriegen wird. Ps. 39, 7. Behüte mich, mein Gott, vor solcher höchst schädlichen Thorheit! Ich will sammeln, so weit es verantwortlich ist, in zeitlichen Dingen zu meinem und der Meinigen nothdürftigem Unterhalt und für die Dürftigkeit meines armen Nächsten. Ich will aber dabei nicht vergessen, einen Schatz zu sammeln im Himmel, der nimmer abnimmt, da kein Dieb zukommt, und den keine Motten fressen. Luc. 12, 33.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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