Der Ertrunkene
Ein Bürgermeister eines bekannten Orts war wegen etlicher Verrichtungen, den gemeinen Nutzen betreffend, in eine auf eine halbe Meile gelegene Stadt nebst etlichen Gefährten über einen namhaften gefrornen Strom gegangen, und, als sie abends wiederkehren, nicht meinend, daß das Eis durchs eingefallene Thauwetter so falsch geworden, fällt er ohne Wissen seiner Gefährten ins Eis und wird von dem starken Fluß alsbald hinweggerissen und nach etlichen Wochen erst wieder gefunden, (8. Jan. 1657) eine betrübte Wittwe und etliche unerzogene Waislein hinter sich lassend. Gotthold hörte diesen kläglichen Fall mit herzlichem Mitleid erzählen und sagte: Dies ist eine Sache, die man ohne Grauen nicht bedenken und erzählen kann. Dieser Mann geht frisch und gesund aus und in solchem Zustand kehrt er wieder nach Haus, und plötzlich wird ihm das Eis eine falsche Brücke, die ihn ins bestimmte Haus aller Lebendigen, zum Tode nämlich, führt. Jetzt geht er und redet mit seinen Gefährten und meint, bald das Ufer erreicht zu haben, und indem fällt er dahin, wird auf eine Zeit lang der Fische Gefährte und gelangt an das Ufer, welches sein zeitliches Leben endet. Nun wollen wir zwar an seiner Seligkeit nicht zweifeln, weil er auf den Wegen feines Berufs sich befunden und ohne Zweifel, als er morgens ausgegangen, mit dem lieben Gebet und fleißiger Empfehlung seines Leibes und seiner Seele in Gottes gnädigen Schutz sich verwahrt; dennoch haben wir an ihm ein Exempel, daran wir uns alle spiegeln sollen. Ach, sichere Menschenkinder! was ist euer Leben! Ein schlüpfriges und falsches Eis, das bald hie, bald dort bricht und einen nach dem andern in den Strom des Todes und der Vergessenheit stürzt. Das seht ihr und nehmts nicht zu Herzen! Ihr seid sicher, und seht! das Eis des vergänglichen Lebens und Wesens wankt und schwankt unter euren Füßen! Im Augenblick fahrt ihr dahin. Darum seid allezeit gefaßt mit den seligen Todesgedanken und bereitet eurer Seele eine Zuflucht im Leben, damit sie bei so plötzlichem Abschied wisse, wohin sie sich wenden solle. Ach, Herr, mein Gott! zürne nicht. Ich habe mich unterwunden, mit dir zu reden, wiewohl ich Asche und Erde bin. 1. Mos. 18, 27. Uebereile mich nicht mit einem schnellen Tode, damit du mich nicht etwa unbereitet findest! Laß aber auch mein Herz nicht allzulang in des Todes Presse stehen, damit meine Geduld nicht ermüde! Doch will ich schweigen und meinen Mund nicht aufthun, du wirsts wohl machen! Ps. 39, 10.
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