Der Diamant
Gotthold sah einem Goldschmidt zu, der einen Diamanten in Gold faßte und unter demselben auf den Boden des Kästleins, darin er ihn versetzen wollte, ein schwarzseidenes Läpplein legte und auf Befragen: wozu dies dienen sollte, zur Antwort gab, daß der Stein desto Heller und lieblicher mit seinem Glanz spielen möchte. Gotthold dachte der Ursache nach und befand es nicht ungereimt; bald sagte er bei sich selbst: mein Gott! hieran hab ich ein Vorbild deiner Gnade, die niemals heller und lieblicher, als in unserm äußersten Elend leuchtet. Sie ist allezeit voll Glanzes und Herrlichkeit, aber niemals eräuget sich dieselbe mehr, als wenn sie an den größten Sündern sich gnädig beweist. Ich verwundere mich nicht so sehr, daß deine Gnade Henoch und Noah, Daniel und die Jungfrau Maria bestrahlt, als daß sie David, den Ehebrecher und Todtschläger, Petrum, den Flucher, Paulum, den Lästerer und Verfolger, und Maria Magdalena, die unsaubere Pfütze, erleuchtet, umfaßt und zum Leben einführt. Alle Gnade, die du uns erweisest, ist lieblich und dir, mein Gott! rühmlich, aber keine ist lieblicher und dir rühmlicher, als wenn du die schwarze Finsterniß unserer Sünden damit zudeckst und erleuchtest, welches dein Prophet wohl erkannte, als er sagte: Wo ist ein solcher Gott, wie du bist, der die Sünde vergißt und erläßt die Missethat den übrigen seines Erbtheils, der seinen Zorn nicht ewiglich behält, denn er ist barmherzig! Mich. 7, 18. Nun, mein Gott! an meiner finstern und schwarzen Seele wird deine Gnade auch desto heller und scheinbarer sein. Herr Jesu! ich bin schwarz von Sünden, du bist hellleuchtend von Gnade und Güte, ich will dich im Glauben fassen, so wird dein Licht meine Finsterniß erleuchten.
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