Der Denkspruch
Gotthold fand auf der Reise in einer Kirche mit Röthelstein angeschrieben: Mit Gott weiter! nebst zween Buchstaben (die zweifelsfrei des Schreibers Namen bedeuteten) und der Jahrzahl und gedachte, daß vielleicht ein Durchreisender, welcher Gott für seinen gnädigen Schutz, durch welchen er ihn bis hieher gebracht, in der Kirche gedankt und um ferneres, gnädiges Geleit gebeten, diese Worte in guter Meinung hieher geschrieben; darauf sagte er bei sich selbst: dies sollte billig der Denkspruch aller Christen sein: Mit Gott, mit Jesus Hülfe weiter! theils zum Trost, denn Gott hilft eine Last nach der andern ablegen, er hilft einen Tag nach dem andern in diesem betrübten und mühseligen Leben überstehen und vorbei bringen und wird weiter helfen, er wird uns auf der Wallfahrt unsers Lebens nicht verlassen, noch versäumen, bis wir zum Ende kommen und in das himmlische Vaterland angelangen, da wir bei ihm süßiglich und ewig ausruhen werden; theils zur Aufmunterung in der wahren Gottseligkeit. Wie ein rechtschaffner Christ gesinnt sei, lehrt der h. Apostel mit den nachdenklichen Worten, Phil. 3, 12. 13.: Nicht daß ichs schon ergriffen habe oder schon vollkommen sei, ich jage ihm aber nach, ob ichs auch ergreifen möchte, nachdem ich von Christo Jesu ergriffen bin. Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich zu dem, was da vornen ist, und jage nach dem vorgestreckten Ziel, nach dem Kleinod, welches vorhält die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu. Der theure Apostel gebraucht meinem Ansehen nach zweierlei Gleichniß; ich bin, will er sagen, meinem Herrn Jesu, wie einer Mutter ihr trautes Kind, er hat mich mit seiner Gnade ergriffen und umfaßt, er hat mich oft an sein Herz und Brust gedrückt, er hat mich in Trübsal mit den Brüsten seines Trostes erquickt und trägt mich noch jetzt auf seinen Armen und leitet mich mit seinen Augen; allmälig beginne ich dieses liebreiche Mutterherz zu erkennen, ich schlage ihm zuweilen, wiewohl in großer Schwachheit, meine Glaubensarme um den Hals, ich herze ihn in Liebe, ich sehne mich nach ihm mit Verlangen, und wird dies meine höchste Freude sein, wenn ich ihn von Tage zu Tage mehr erkennen, mehr lieben, mehr loben mag, und daher kommts, will er weiter sprechen, daß mich immer dünkt, alles, was ich bisher in meinem Apostelamt zur Ausbreitung der Ehre des Herrn Jesu, wie auch was ich in der Uebung der Gottseligkeit gethan und gelitten, das sei nicht werth, daß man daran gedenke. Ich bin einem Läufer in der Rennbahn gleich, der nicht hinter sich sieht auf den Weg, den er zurück gelegt, sondern immer nach dem vorgestreckten Ziel und aufgesetzten Kleinod sich sehnt und nicht ruht, bis er es erreicht. Ach, mein Erlöser und süßester Heiland, gieb mir ein solches Herz! Was ists, was ich bisher in meinem Christenthum gethan und gelitten habe? Mich dünkt, es ist lauter nichts. Nun Herr Jesu! mit Gott weiter! immer weiter im Glauben, weiter in der Liebe, weiter in der Geduld und Hoffnung, weiter in der Demuth, Sanftmuth, Keuschheit, Mäßigkeit, Genügsamkeit! Hilf aus Glauben in Glauben, Röm. I, 17., von Kreuz zu Kreuz, von Tugend zu Tugend, von einer Stufe der Gottseligkeit zur andern, bis ich das Ende meines Glaubens, der Seelen Seligkeit, erreiche und davon bringe.
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