Der Blumentopf
Gotthold sah in einem Lustgarten etliche Blumen in schön gezierten, gemalten und auf einem erhabenen Gestell gesetzten Töpfen prangen; er gedachte bei sich selbst: auch diese Blumen sind Töchter der Erde, sie leben von der Erde und werden zur Erde. Diese prächtigen und erhabenen Töpfe sind nichts, als eine angestrichene Erde, mit Erde gefüllt. Es wird nicht lange hin sein, so weiß man von diesen prächtigen und in der Höhe prangenden Blumen eben so viel zu sagen, als von den niedrigen und an der Erde kriechenden Veilchen, die im März abgeblüht haben. Darum könnte man einen solchen Blumentopf malen mit der Beischrift: Blumen sinds! Oder: Erde ists, und nichts mehr. Oder: Vergänglich, wie andere! die Hoheit der Welt und ihre Herrlichkeit zu bedeuten. Gott hat zwar in dem Lustgarten der Welt etliche Personen über andere erhoben und sie in ihren Würden, Ehren, Aemtern, Reichthum, Wohnung, Kleidung, Bedienung, vor andern ansehnlich und prächtig gemacht, doch bleiben sie nichts desto weniger Erde und Asche, leben von der Erde, wie andere, und wenn sie ausgeblüht und ihre Zeit vollendet haben, so werden sie zur Erde. Merkwürdig ists, was der Herr von Thou berichtet, daß in vorigen hundert Jahren innerhalb zwölf oder dreizehn Monaten abgefallen und verwelkt sind nachfolgende hoch erhabene Blumen: Karl der Fünfte, römischer Kaiser, König in Spanien u. s. w., zwei Könige in Dänemark, einer, der auf dem königlichen Thron saß, Christian der Dritte, und ein anderer, der im Gefängniß gehalten ward, Christian oder Christiem der Andere, ein König in Frankreich, Heinrich der Andere, der im Lustspiel und Speerbrechen tödtlich verwundet worden, ein Herzog zu Venedig, Laurenz Priulus, ein römischer Papst, Paul der Vierte, ein Pfalzgras und Churfürst des Reichs, Otto Heinrich, ein Herzog von Ferrara, Herkules Atestinus, und endlich drei Königinnen, Eleonora, Königin in Frankreich, Maria in Ungarn, und Bona Sforzia in Polen; diesen aber thut der Jesuit Strada hinzu noch einen Churfürsten, den Erzbischof zu Köln und zehn Kardinäle, die ihrem Papst im Tode Gesellschaft geleistet; das sind zusammen zwei und zwanzig kaiserliche, königliche, fürstliche und hocherhabene Personen; das mag eine rauhe Luft für solche Blumen gewesen sein! So geht nun hin, ihr Menschenkinder, und rühmt euch eures hohen Standes, eurer Ehren und Herrlichkeit und höret dabei, was der Prophet sagt: Alles Fleisch ist Heu, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. Das Heu verdorret, die Blume verwelket, denn des Herrn Geist blaset darein. Das Heu verdorret, die Blume verwelket, (die Wiederholung geschieht nicht umsonst), aber das Wort Gottes bleibet ewiglich. Jes. 40, 6. 7. 8. Mein Gott! Niedrig sein ist recht hoch sein! Ich achte keine Hoheit, als die auf Demuth gegründet ist, ich achte keine Zierde, als die ewig währet. Laß mich in meiner Niedrigkeit dir zu Ehren und meinem Nächsten zu Dienst blühen, so lange es dir gefällig ist, laß mich aber auch eine Paradiesrose werden, die vor deinem Angesicht ewiglich blühe!
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