Der betrunkene Gastgeber

Zu mitternächtlicher Stunde wankte ein Betrunkener über eine russische Dorfstraße und sang vor sich hin "Schumel kamysch..." - "Rauschendes Schilf..." Laut klang seine Stimme durch die kalte Luft, tiefverschneit war die Landschaft. Ab und zu schwankte der Betrunkene so, dass er das Gleichgewicht verlor und in den Schnee sank, doch dann raffte er sich wieder auf und setzte seinen Weg fort.

Zu gleicher Zeit besuchte ein Prediger dieses Dorf. Doch hatte er hier niemanden, bei dem er hätte übernachten können. Es dauerte nicht lange, und die beiden nächtlichen Wanderer begegneten sich. "Ei, guter Mann, wo willst du hin", sprach der betrunkene Dorfbewohner den Fremden an. "Wenn du willst, bis zu euch nach Haus", lautete die Antwort. Ohne weitere Umstände umarmt der Mann den Prediger und gibt ihm einen schmatzenden Kuss auf die Backe. Doch ein Bote Gottes lässt sich nicht so leicht aus dem Konzept bringen. Arm in Arm gehen die beiden dem Haus des Betrunkenen zu. "Ich habe einen Gast mitgebracht", ruft er laut seiner Frau zu, die noch nicht geschlafen hatte. Das Gespräch kam an diesem Abend über ein paar wirre Worte nicht hinaus. Doch am nächsten Morgen war es schon anders. Der Prediger holte seine Bibel hervor und brachte dem Haus das Evangelium. Die Geschichte endete wie bei Kornelius. Der Trunkenbold vom Abend vorher öffnete sein Herz für Jesus. Er und auch seine Frau machten ganze Sache mit Gott.

Quelle: Aus dem Buch "Der getaufte Geldbeutel. Russische und andere Geschichten" von Gerhard Hamm, Hänssler-Verlag, 1983
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