Dasselbe

Als Gotthold heim ging und diesen heilig-süßen Gedanken nachhing, fiel ihm ferner bei, was der h. Apostel Johannes sagt, 1. Joh. 5, 6.: Dieser ist es, der da kommt mit Wasser und Blut, Jesus Christus, nicht mit Wasser allein, sondern mit Wasser und Blut. Sehr wohl hat unsere Bibel, der da kommt, (nicht, wie andere: der da gekommen ist,) anzudeuten, daß zwar die Seite Jesu einmal eröffnet und mit Wasser und Blut geflossen ist, daß aber die Kraft solches Stroms noch immerdar währt, als flösse diese schöne Fluth immerzu. Der Herr Jesus kommt allezeit zu den bußfertigen Sündern mit Wasser und Blut, er ist bei und in seiner Kirche bis ans Ende der Welt, wir haben in seinen h. Wunden einen freien offnen Brunnen wider die Sünde und Ungerechtigkeit. Sach. 13, 1. Heute ist die Kraft des Bluts Jesu so groß, als sie war den Tag, wie es aus seinen h. Wunden floß. Noch jetzt redet es besser, denn Abels Blut. Hebr. 12, 24. Die Kraft des Teichs Bethesda ist vergangen, Joh. 5, 3., aber die Kraft des Blut- und Wasserstroms Jesu vergeht nimmermehr. So ist mein Jesus, wie ich ihn jetzt habe gemalt gesehen; er steht in seiner Kirche mitten unter den Sündern, er reinigt, heiligt und segnet uns durch Wasser und Blut. Was Thomas, das irrige Schaf, von seiner Liebe erlangte, das habe ich auch, ich mag meine Hand in seine Seite und meine Finger in seine Wunden legen, ich wasche mein Herz täglich in diesem Strom, ich erquicke mich aus demselben und stille den Durst meiner Seele. Ich habe mit Betrübniß gelesen, daß Leute sind, die sich zwischen Jesum mit seinen bluttriefenden Wunden und die Jungfrau Maria mit ihren milchfließenden Brüsten stellen, sagend: sie wissen nicht, wohin sie sich wenden sollen, und meinen, sie wollen der Mutter Milch und des Sohnes Blut zusammen bringen und mischen, das soll eine kräftige Arznei für ihre Seele sein. Ein seltsames Mischmasch, davon Jesus, davon Maria nicht weiß, nicht wissen will. Wer an der edlen Mixtur des Wassers und Bluts, die aus der Seite Jesu geflossen ist, nicht genug hat, der wird vergeblich eine bessere suchen. Mir genügt, Herr Jesu! Du bist mir alles, du hast alles; es fließt Wasser und Blut aus deiner Seite; Wasser, meinen Durst zu loschen, Blut, meine Seele zu reinigen; das Wasser ist meine reine Leinwand, das Blut ist mein Purpur, das Wasser ist mein Silber, das Blut mein Gold, das Wasser ist mir ein Labsal, das Blut ein Balsam. Ich begehre nichts mehr! Eins ist, das ich herzlich bedaure und beklage, daß Jesus mit seinem Verdienst, Wasser und Blut so gering jetzt in der Welt geachtet wird. Die meisten haben ihn stracks ausgelernt, und es ist gemein und schlecht Ding, wenn man von dem Wasser und Blut Jesu sagt. Andere verlassen diese Lebensquelle und machen sich hie und da Brunnen, die doch kein Wasser geben können. Der vortreffliche Scaliger beklagte vor seinem Ende mit heißen Thränen, daß er hätte müssen so alt werden und die Zeit erleben, da man das heilige Verdienst und die Genugthuung durchs Blut Jesu sich nicht scheute in Zweifel zu ziehen, welchen er nunmehr bald zur Rechten Gottes sitzend in seiner Herrlichkeit zu sehen hoffte. Ach, jetzt möchte man Blut und Wasser weinen, da die atheistische Welt des ewigen Sohnes Gottes, ihres einzigen und getreusten Mittlers, beginnt zu spotten und sein Blut mit Füßen zu treten! Nun dieser Greuel wird dem Faß den Boden bald ausstoßen! Du wirst kommen, Herr Jesu! und dem, der den Gnadenstrom, so von deinem Herzen geflossen, nicht hat gewollt, einen Strom von brennendem Pech und Schwefel zum Lohn geben. Nun, mein Herr Jesu! du bist wie ein Fremder in der Welt, du kommst mit Wasser und Blut täglich, die Welt selig zu machen, und sie will dein nicht, sie muß Geld sammeln, kriegen, rechten, jagen, tanzen, saufen, fressen, sich schmücken; damit hat sie so viel zu thun, daß sie dein nicht warten kann. Ach, so bleibe bei mir und den Meinigen, Herr Jesu! Siehe, mein Hans, mein Herz steht dir offen, laß uns unter den wenigen sein in diesen letzten Zeiten, die an dich glauben, dich lieben, auf dich hoffen! Laß keine atheistische teuflische Gedanken in unsern Herzen haften oder wurzeln! Willst du denn endlich, mein Erlöser, die Welt aus gerechtem Gericht verlassen und das gottlose Wesen lassen überhand nehmen, so nimm mich weg, daß ich den Greuel nicht hören und sehen mag!

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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