Das wüste Haus
Gotthold ging vorbei vor einem wüsten Haus, welches Krieg und Pest seiner Einwohner beraubt, daher es nunmehr dach- und fachlos geworden und zum Untergang und Einfall sich täglich je mehr und mehr anschickte. Das sind die Früchte, gedachte er, unserer Sünden, welche die Städte ohne Einwohner und die Häuser ohne Leute machen. Jes. 6, 11. Und ists kein Wunder, daß Gott uns aus unsern Häusern jagt und hinweg rafft, wenn wir ihn nicht wollen bei uns darinnen wohnen lassen, sondern aus unsern Wänden Umhänge machen, hinter welchen wir desto sicherer zu sündigen vermeinen! Ich erinnere mich aber hiebei, sprach er weiter, was es für eine Beschaffenheit habe mit den Seelen, die Gott aus gerechtem Gericht um ihrer beharrlichen Sünden und Unbußfertigkeit willen verlassen hat; fürwahr da nisten wol die höllischen Nachtvögel und fliegen aus und ein nach ihrem Willen, da wird alles baufällig und schickt sich zum ewigen Verderben. Und dies ist die höchste Stufe der göttlichen Strafen, damit der Mensch in diesem Leben kann belegt werden, wenn Gott seine Gnadenhand von ihm abzieht, ihn in einen verkehrten Sinn giebt und läßt ihn wandeln nach seines Herzens Dünkel. Da hat der Satan gewonnen Spiel und zäumt, sattelt und reitet einen solchen Menschen nach seinem Willen; er ist der Teufel Ball, den sie einander zuspielen und aus einer Sünde in die andere stürzen; er ist eine Werkstatt der höllischen Geister, darinnen sie lauter Werke und Waffen der Finsterniß schmieden. Das heißt, was der Herr, unser Gott, sagt: Wehe ihnen, wenn ich von ihnen bin gewichen! Hos. 9, 12. Angleichen: Ich habe meinen Frieden von diesem Volk weggenommen sammt meiner Gnade und Barmherzigkeit. Jer. 16, 5. Zwar ist dies der Unterschied zwischen diesem Hause und einem ruchlosen und übergebenen Menschen, daß jenes seinen kläglichen Zustand allen Vorübergehenden vor Augen stellt, bei diesem aber mehrmals seiner Seele Elend und Verderben mit zeitlicher Glückseligkeit und erwünschtem Fortgang alles seines Muthwillens verdeckt ist; allein die Gefahr ist so viel größer, als tiefer sie vor seinen und fremden Augen verborgen. Und daher finden fromme von Gott erleuchtete Menschen oft Ursache, dieselben Leute, welche ihres zeitlichen Wohlstandes halber jedermann selig preist, mit bittern Thränen zu beweinen und noch vor ihrem Tode zu betrauern. Ach, mein getreuer und barmherziger Gott! laß mich nicht und thue die Hand nicht von mir ab, Gott mein Heil! Ps. 27, 9. Verwirf mich nicht von deinem Angesicht und nimm deinen H. Geist nicht von mir! Ps. 51, 12. Laß mir meinen Willen nicht, laß mich aus deiner Aufsicht nicht! Laß meine Seele allezeit eine Wohnung deines H. Geistes bleiben! Ich will lieber von der Welt, von der Gesundheit, von der Ehre, von der Freude, von den Gütern, von den Freunden, von allem verlassen sein, als von dir und deiner Gnade.
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