Das Vieh
Gotthold, als er im Felde spazieren ging, kam auf einen lustigen und besäeten Hügel, von dannen er den nächstgelegenen düstergrünen Wald mit den anstoßenden schönen Wiesen, etliche umliegende Dörfer und zu beiden Seiten das fruchtbare Gefilde, darinnen , eine ziemliche Heerde Kühe, Ochsen und Schafe weideten, übersehen konnte. Hier stand er still, hob seine Augen mit Seufzen gen Himmel und sagte: Du milder und frommer Gott! wie weitläuftig und kostbar ist deine Haushaltung! Wer kann deine Tischganger zählen? Wie sicher weidet dieses Vieh! Wie reichlich versorgst du diese Heerden! Sollt ich wol nicht denken, daß du auch Engel zu Hirten über unser Vieh gestellt hast, damit es, wider mancherlei Anfall erhalten, dem Menschen zu gute kommen möge? Freilich ja, weil sonst des Satans giftiger Neid und Bosheit keines aufkommen ließe. Dies ist das große Gefäß, so du uns vom Himmel herunterlässest mit dem Befehl, daß wir schlachten und nach aller Lust unserer Seele essen sollen. Apostelg. 10, 11. 5. Mos. 12, 15. Zu beklagen ist’s nur, daß dies so wenig von den Menschen erkannt wird, welche zum größten Theil des Viehes nicht allein zur Nothdurft, sondern auch zum übrigen Ueberfluß gebrauchen und an dich, ewigen Schöpfer, so wenig, als das Vieh gedenken. Sei gelobt und hochgepriesen für alle deine Güte, lieber Vater! und laß das dankbare Seufzen der Deinigen mehr gelten, als die ruchlose Undankbarkeit des großen Haufens, die deiner und ihrer selbst vergessen!
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