Das unreine Gefäß
Man hatte Gottholden einen Trunk geholt, der nach dem Gefäß schmeckte, er sagte darauf: Da haben wir ein Vorbild unserer Gedanken, Worte und Werke; weil unser Herz durch die Sünde verunreinigt ist, so hanget, leider! allem unserem Vornehmen etwas Sündliches an, welches wir zwar wegen Gewohnheit nicht allezeit merken, aber dem allwissenden, heiligen und gerechten Gott ist es nicht verborgen.
Ach ja, sprach ein frommes Herz, so solches hörte, das gottlose böse Herz macht uns viel zu schaffen. Bei dem Propheten Jeremia 4,14. spricht unser Gott: "So wasche nun dein Herz von der Bosheit, auf daß dir geholfen werde." Ich meine ja, ich habe etliche viele Jahre her an diesem unreinen Gefäß gewaschen mit eifrigem Gebet, mit vielen Thränen, mit stetigem Streit, mit oft erneuertem Vorsatz, mit fleißiger Anhörung und Betrachtung des göttlichen Worts; allein bisher spüre ich nicht, dass es etwas geholfen hätte; die Unreinigkeit hat sich so tief hineingesetzt, dass kein Waschen helfen will, darüber ich oft kleinmüthig werde und mein ganzes Christenthum nicht einer Bohne wert achte.
Gotthold antwortete: Eben das ist eine Hauptursache, warum Gott das Herz in diesem Leben nicht ganz reinigt und von der angeerbten Sünde befreit, damit wir nicht hoffärtig werden, sondern an seiner Gnade und den Wunden des Herrn Jesu als ein schwaches, durstiges Kind stets hangen bleiben. Denn er ist so gütig und gnädig, so weise und allmächtig, dass er auch ans dem Bösen weiß etwas Gutes zu machen, doch müssen wir deshalb an unserm Christentum nicht ganz verzagen und meinen, weil es uns nicht gefällt, dass es Gott auch nicht gefalle. Gott ist ein liebreicher Vater, der wohl weiß, daß seine Kinder in der Welt ohne Schwachheiten und Fehler nicht sein werden, darum hat er Geduld mit ihnen. Wie vielmals machen es unsere Kinder nicht recht! Wie oft folgen sie der Bosheit ihres Herzens und lassen der Sünde, die ihnen angeboren ist, ihren Willen! Ich habe aber noch nie gesehen, dass darum ein Vater sein Kind hätte enterbt oder in die Elbe geworfen, sondern er züchtigt und ermahnt es väterlich und hofft mit zuwachsenden Jahren Besserung. Können wir nun das tun, die wir arg sind, wie sollte es nicht Gott vielmehr tun?
Zuvörderst, da er unsere Herzen nicht anders, als durch die Wunden seines liebsten Sohns ansieht, in dessen heiligen Blute wir sie täglich waschen und ihm also ein zwar von Natur unreines, doch durch Christi Blut und Geist gereinigtes Herz opfern. Zu dem Ende habe ich gesehen, dass ein guter Mann sich den gekreuzigten Jesum und zu dessen Füßen ein Herz, mit seines Namens Anfangsbuchstaben bezeichnet und mit einem Nagel angeheftet, darüber das heilige Blut des Herrn herab floß, malen hatte lassen, anzudeuten, dass Christi blutiges Opfer und sein Herz nimmer müßten getrennt werden. Wenn nun meines Jesu heiliges Herz und mein unreines Herz im Glauben zusammen kommen, so bin ich um die Unreinigkeit meines Herzens, welche mir sonst auch großen Kummer macht, nicht mehr bekümmert, wohl wissend, dass nichts Verdammliches ist an denen, die in Christo Jesu sind. (Röm. 8,1).
Hieraus schlug er auf die Worte des gottseligen Dr. Tauler, die also lauten: „O liebe Seele, die du in unreiner Versuchung bist, opfere dich Gott in Gelassenheit und sprich in deinem Herzen: Herr, du stehest aller Herzen Grund und erkennest alle Meinung, du weißt wohl, ich wollte dir gerne wiederum eine himmlische reine Seele einantworten, nun habe ich nichts, als ein unreines Faß, welches voll fauler Anfechtung ist; das opfere ich dir auf, wie ich es habe; hätte ichs besser, so gäbe ich es dir besser; nur bitte ich dich, dass du solches mit deinem heiligen Blute reinigest, auf dass es deines heiligen Einflusses empfänglich werde.“
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