Das Töpferhaus
Gotthold ging bei eines Töpfers Haus vorüber, worin allerlei irdene Gefäße in unterschiedlichen Haufen an der Erde standen, und dachte an das Wort des Herrn, der zum Propheten sagt: Mache dich auf und gehe hinab in des Töpfers Haus, daselbst will ich dich mein Wort hören lassen. Jer. 18, 2. Ach, wir Menschen, sagte er ferner bei sich selbst, was sind wir anders, als irdische Gefäße! Unter diesen ist kein Unterschied, weil sie alle aus einem Thon bereitet sind, ohne daß sie des Meisters Hand in etwas unterschieden, jenes anders, als dieses gestaltet, mit etwas mehr Farben bemalt und mehr oder weniger ausgebrannt hat, und stehts hernach bei dem Käufer, wozu er jedes gebrauchen will. So sind wir Menschen, Hohe und Niedrige, Arme und Reiche, von einer Erde, die unser aller Mutter ist. Hat der eine mehr Ehre, Gaben, Güter als der andere, das hat er der gnädigen Hand des obersten Werkmeisters zu danken, doch bleibt er einen Weg wie den andern ein zerbrechliches Gefäß und ein sterblicher Mensch, und wenn er sich zu viel dünken will, so muß er wissen, daß dem Könige, welchen Gott auf seinem h. Berge Zion eingesetzt hat, der eiserne Scepter noch aus den Händen nicht entfallen ist, damit er solche buntgemalte schöne Töpfe zerschlagen und zerschmeißen kann. Ps. 2, 6. 9. Meint ein anderer, es sei ihm etwas an Farbe und Gaben entzogen, so gedenke er, daß ihm der Höchste nichts schuldig gewesen, und daß der Scherben mit dem Töpfer nicht hadern kann und darf nicht sagen: Was machst du? du beweisest deine Hände nicht an deinem Werk. Jes. 45, 9. Mein Gott! du bist unser Töpfer, wir sind deine Erde und Thon. Was habe ich dir vorzuschreiben, was du aus mir machen, wie du mich gestalten und zieren sollst? Nur dies bitte ich, laß mich ein Gefäß deiner Gnade sein und ein Werkzeug deiner Barmherzigkeit; laß deinen heiligen, gerechten und guten gnädigen Willen an mir, in mir und durch mich vollbracht werden; so genügt mir, und ich begehre keines Schmucks mehr.
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