Das Testament
Gotthold mußte mit einer Testamentsache, die Seinigen angehend, zu thun haben, welche ihm allerlei Mühe und Ungelegenheit verursachte; als er nun mit einem vornehmen Freunde davon gesprochen hatte, sagte er: Es ist zu beklagen, daß das rechte Recht, darum jene Wittwe bat, sonst nirgends mehr zu finden, ja, wie die Schrift redet, in Wermuth verkehrt, und die Gerechtigkeit zu Boden gestoßen ist. Am. 5, 7. Die Herren Juristen größtentheils kommen mir vor als ein Mann, der im dicken Walde unter den Dornhecken und verworrnem Gesträuch wandelt und sich darinnen so verirrt, daß er sich nicht herauszufinden weiß; was sie nun dermaleinst für Trauben von den Dornen oder Feigen von den Disteln lesen werden, das mögen sie erwarten und erfahren. Ich will mich um ein ander Testament bekümmern; mein Jesus hat kurz vor seinem Abschied aus der Welt ein Testament gemacht und darinnen seine Gläubigen zu Erben eingesetzt. Er hatte aber keine zeitlichen Güter, die er vermachen konnte, denn er hatte sie nicht gesucht oder begehrt, zuletzt war er auch so arm, daß er nicht einmal ein Kleid behielt, damit er seine Blöße decken konnte; so hatte er nichts, als sein Kreuz, seine Dornkrone, seine Nägel, sein Blut, seinen H. Geist und dessen Trost und sein liebreiches süßes Herz. Dieses alles hat er uns vermacht. Ich will gern die Erbschaft angehen. Ich bin vergnügt mit diesem Vermächtnis,. Der Satan wollte mir gerne dieses Testament und diese Erbschaft abdisputiren, aber es ist zu wohl verwahrt, und ich habe schon den Besitz dieser Güter ergriffen; damit ich aber nicht undankbar erfunden werde, so will ich auch meinen letzten Willen auffetzen und hinterlassen. Ich erinnere mich, was ein Heide von einem Heiden erzählt: Eudamidas, ein Bürger zu Korinth, verstarb in Armuth; weil er aber ein paar begüterte Freunde hatte, den Aretäus nämlich und Charirenus, so hinterließ er ein solch Testament: Dem Aretäus vermach ich kraft dieses meines letzten Willens meine alte arme Mutter, daß er sie zu sich nehme und die übrige Zeit ihres Lebens versorge, dem Charirenus aber übergebe ich meine Tochter, daß er sie nach seinem besten Vermögen mit einer Mitgabe versehe und ehrlich aussteure. Sollte aber einem unter ihnen etwas zukommen, so will ich, daß der Hinterbliebene des Verstorbenen Stelle auch versehe. Ueber dieses Testament hat männiglich gelacht, die beiden Freunde aber sich gefreut, daß ihr verstorbener Freund ein solch Vertrauen zu ihnen gehabt, und als der Charirenus wenig Tage hernach auch Todes verfahren, hat Vretäus beides über sich genommen und mit Fleiß ausgerichtet. Haben nun Heiden unter sich ein solches Vertrauen gehabt und einer dem andern solche Treue auch nach dem Absterben beweisen können, warum sollt ich nicht zu dem allergetreusten Freunde, meinem süßen Herrn Jesu, ein viel größer Vertrauen haben? So will ich ihn denn hiemit zu meinem völligen Erben erklären und ihm vor allen Dingen meine Seele und dann auch meine Kinder, Schwestern, Blutsfreunde und Verwandten sämmtlich vermacht und übergeben haben, daß er sie aufnehme, versorge, bewahre und durch seine Macht zur Seligkeit erhalte; das Uebrige alles auch, was ich in der Welt hinterlasse, soll zu seinem heiligen Rath und Willen gestellt sein, daß er es damit schicke und schaffe, wie ers gut befindet zu seiner Ehre und der Nachbleibenden Seligkeit.
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