Das spielende Kind
Ein kleines Kind lief in der Stube umher und machte sich viel Spielens und kindlicher Lust; sein Geld waren Scherben, sein Haus etliche Klötzlein, sein Pferd ein Stecken, fein Tractament ein Apfel, sein Sohn eine Puppe und so fortan. Der Vater saß am Tisch, hatte wichtige Sachen vor, die er verzeichnete und in gute , Richtigkeit brachte, damit sie dermaleinst eben diesem Spielvöglein nützen möchten. Das Kind lief oft zu ihm hinan, that viele kindliche Fragen und begehrte viel zur Beförderung seines Spiels; der Vater beantwortete das wenigste, fuhr indessen in seiner Arbeit fort und hatte doch immer ein wachendes Auge auf das Kind, damit es nicht gefährlich fallen und Schaden nehmen möchte. Gotthold fah solches und gedachte: das ist eine artige Abbildung der väterlichen Fürsorge Gottes! Wir alte Kinder laufen in der Welt umher und spielen oft thörichter, als die Kinder; wir sammeln und zerstreuen, wir bauen und brechen, wir pflanzen und reißen aus, wir reiten und fahren, wir essen und trinken, wir singen und spielen, und meinen, wir thun große Dinge, die Gott sonderlich in Obacht nehmen müsse. Indessen sitzt der allwissende Gott und schreibt unsere Tage auf sein Buch, er ordnet und schafft, was wir vor oder hernach thun, er richtet alles zu unserem Besten und unserer Seligkeit und hat dabei stets ein wachendes Auge auf uns und unser Kinderspiel, damit wir keinen verderblichen Schaden nehmen. Mein Gott! solche Erkenntniß ist mir zu wunderlich und zu hoch, ich kanns zwar nicht begreifen, aber doch will ich dich dafür allezeit loben und , preisen! Laß mich, mein Vater! aus deiner Acht und Aufsicht nicht, besonders dann, wann ich etwa, wie ein solches Kind, thöricht handle.
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