Das Silber
Gotthold hatte bei einem frommen Goldarbeiter etwas Silber eingebracht, daraus etliche Löffel sollten verfertigt werden; derselbe setzte in seiner Gegenwart sofort das Silber ins Feuer, und nachdem es zerschmolzen und eine Weile in der Glut gestanden, zeigte er ihm, dass es ganz lauter wie ein helles Wasser und durchscheinend wie ein Glas anzusehen war, mit Bericht, dass das Gold im Feuer noch viel schöner und lauterer stände. Bald führte er ihn in die Stube, und weil er etlicher schöner Stücke von getriebener Arbeit ansichtig ward, bat er ihn, wie diese künstliche Sachen bereitet würden, sehen zu lassen, wozu denn der Goldarbeiter sehr willig war.
Im Heimgehen gedachte Gotthold diesen Dingen nach und befand, dass man hieraus zwei artige Sinnbilder nehmen könnte, den Nutzen des Kreuzes vorzustellen. Das erste gibt einen Schmelztiegel im Feuer, darinnen das Silber geläutert wird, mit der Beischrift: Zum Besten! Das andere eine Hand, die einen Hammer führt über ein Stück Silber auf einem Ambos oder Münzstock mit der Beischrift: Das Schlagen gibt das Bild! Er ermunterte sich hierauf selbst im Geist und sagte: wir Menschen gehen mit den leblosen Geschöpfen um nach unserm Wohlgefallen, wir setzen sie ins Feuer, wir senken sie ins Wasser, wir hammern, treiben, bilden sie, wir drucken und pressen sie, wir bearbeiten sie auf mancherlei Art, nur dass sie nach unserm Sinn und zu unserm Dienst eine Gestalt gewinnen mögen; was verdenken wirs denn unserm Gott, dass er auch mit uns auf allerlei Art umgeht und seinen heiligen guten Willen an uns schafft? Oder hat er, der Schöpfer, nicht die Freiheit an uns, die wir an unsern Mitgeschöpfen uns nehmen? Oder meinen wir es etwa besser mit dem, was wir unter Händen haben, als Gott mit uns, wenn er uns seines Kreuzes würdigt?
Dem Goldarbeiter ist das Silber so lieb, das im Feuer steht und unter dem Hammer ist, als das, welches schon ausgearbeitet und auf dem Laden prangt; und es ist einerlei göttliche lautere Liebe, darinnen wir, die wir noch in der Welt die Hitze der Trübsal und den Hammer des Kreuzes leiden, und die auserwählten Seelen, die schon der himmlischen Herrlichkeit genießen und unsern Gott für sein Kreuz sowohl, als für andere Wohltaten preisen, eingeschlossen sind; Gottes Liebe und Ruthe sind nicht wider einander. Indem er mit solchen Gedanken heim kam, fuhr er fort: und was ist es, das ich um und an habe und dessen ich mich täglich bediene, was nicht durch menschlichen Fleiß, Zwang und vielfältige Arbeit zum Gebrauch bequem geworden ist?
Die Wolle gibt das Tuch, sie muss aber vorher gekämmt, gekardet, gesponnen, gewebt, gefärbt, gepresst werden; hier ist ein Stück Geldes, es hat sein Gepräge durch den Hammerschlag bekommen; hier ist ein Krug, ein Glas, sie sind durchs Feuer gegangen; hier ist ein Buch, es ist unter der Presse beschrieben, das Drucken hat ihm den Druck gegeben; hier steht ein Tisch, ein Schemel, eine Bank, sie sind durchs Beil und den Hobel zu ihrer Schicklichkeit gebracht; hier ist eine Uhr, die Feile hat sie poliert und das Gewicht hält sie im Gange und Schwange. Was will ich mich denn des Kreuzes weigern, dadurch mein Gott nichts sucht, als mich zu seinem heiligen Willen, seiner Kirche Dienst und meiner ewigen Herrlichkeit zu bereiten? Mein Sinnbild soll künftig sein ein Herz im Schmelztiegel und Feuer mit der Beischrift: Zum Besten. Mein Vater! mach es ferner, wie du willst, du kannst es nicht böse meinen.
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