Das Schlafkissen

Es hatte einer eine stattliche Erbschaft bekommen, davon gebrauchte ein Weltmensch die Redensart, er hätte ein gutes Schlafkissen gekriegt, meinend, er hätte bei so vielen Gütern nunmehr nicht Ursache, mit Sorgen sich zu plagen und seine Ruhe zu stören. Gotthold sagte: Ich höre wohl, ihr meint, der Geldsack sei ein sanftes Haupt- und Schlafpolster; wie aber, wenn ich beweisen könnte, daß oft die, so das meiste Geld haben, am wenigsten schlafen, und daß bei großen Gütern oft kleine Ruhe ist? Wie Kaiser Sigismund, als ihm einmal Dukaten eingekommen, die ganze Nacht mit Gedanken zugebracht, wie er das Geld wohl anlegen möchte, und davor nicht hat schlafen können, darum ers auch sofort des Morgens seinen wohlverdienten Leuten ausgetheilt, ist bekannt. Die Erfahrung bezeugts, daß das Gut den Geiz mitbringt, der Geiz aber läßt nicht schlafen. Doch mag es sein, es sei das große Gut ein bequemes Schlafkissen, weil der Mensch lebt; wie wirds aber, wenn er sterben soll? Es steht ein nachdenklicher Spruch beim Propheten Hesekiel 13, 18., daß sich Leute finden, die den Menschen Kissen unter die Arme und Pfühle zu den Häuptern, (oder: wie es etliche übersetzen: Schlafhauben) machen, die Seelen zu sahen. Der Teufel und seine liebe Getreue machen manchem eine Schlafhaube und Kissen, darauf er so sicher und sanft schlafen kann, als hätte er das Haupt in Gottes Schoos gelegt, da er doch entweder in der betrüglichen Delila oder gar ins Teufels Schooß ruht. Dies Schlafkissen ist die falsche Versicherung von der Gnade und Barmherzigkeit Gottes, von dem Glauben an Christo, von der Vergebung der Sünden, von der Bekehrung in der letzten Stunde, von der Hoffnung des ewigen Lebens, deren sich manch ruchloser Mensch bei wissentlichen und beharrlichen Sünden rühmt. Der Teufel verstellt sich nicht nur in einen Engel des Lichts, sondern auch in einen Tröster, der säugt manchen wie eine Mutter mit falscher Hoffnung des ewigen Lebens, er singt ihm süß und wiegt ihn in den Schlaf der Sicherheit. Gott behüte uns in Gnaden vor einem solchen Schlafkissen! Die gläubigen und frommen Herzen aber haben das rechte, nämlich das, welches sich der h. Johannes rühmt, 21, 20., die Brust Jesu, in welcher sie Gottes Gnade, Ruhe für ihre Seele und Frieden des Gewissens finden; sie sind den Kindern gleich, welche den Tag über in kindlichem Gehorsam gewandelt, des Abends den Eltern die Hände geküßt, den Segen von ihnen empfangen und bei ihnen in einer Kammer unter ihrer Aufsicht sanft und ohne Sorge schlafen. Wer sein Haupt auf des Herrn Jesu Brust und Herz im Glauben gelegt, wer sich Gott gänzlich ergeben und gelassen, wer der Güte Gottes und seiner väterlichen Fürsorge zu trauen und sich eines reinen und unbefleckten Gewissens zu befleißigen gelernt hat, der müßte ja sanft schlafen. Oder, wenn sein Leib wacht, so ruht doch die Seele auf diesem Schlafkissen und läßt sich nichts irren. Ich will euch hiebei ein merkwürdiges Exempel erzählen: Ein gottseliger frommer Mann hatte diese Gewohnheit, wenn ihm allerlei Widerwärtigkeit zustieß und daher das Haupt und Herz mit Sorgen umzogen war, daß er die Bibel zur Hand nahm und in derselben so lange blätterte und las, bis er einen Trostspruch, zu seinem Anliegen schicklich, fand; dann legte er sein Haupt auf das Buch, dachte dem Spruch so lange nach und wiederkäuet? ihn in seinem Herzen, bis er darüber einschlief; wenn er aufwachte, so waren die Sorgen meist überwunden, und ergab er sich in Gottes väterlichen Willen und fand darinnen Trost und Ruhe für seine Seele. Wie dünkt euch um dieses Schlafkissen? Jener antwortete: Ich muß bekennen, es ist besser, als das, davon ich anfangs gesagt; ich will nicht mehr so reden. Ach, Herr Jesu! du bist meiner Seele Zuflucht, meines Hauptes Schlafkissen, meines Herzens Trost und mein Theil. Die ganze Welt ist mir nicht gut genug, daß sie meiner Seele Ruhestätte sollte sein. Wie du ein Mensch geboren warst, allerliebster Erlöser! da ließest du dich in eine Krippe legen, Luc. 2, 7., man sollte meinen, du hättest gar hart darin gelegen, allein ich gedenke oft, was du für weiche Betten in der harten Krippe gehabt, nämlich das Wohlgefallen deines Vaters und die Liebe zu den Menschen. So bette man mich nun auch, wo man will, in der Welt, ich will allezeit in dem heiligen Willen meines Gottes und in der Liebe Jesu Christi sanft ruhen.

Quelle: Christian Scriver - Gottholds zufällige Andachten
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