Das Schauessen
Es ward Gotthold ein Schauessen gewiesen, welches bei einer bevorstehenden Gasterei sollt. aufgesetzt werden. Die Welt, sagte er, bleibt bei ihrer alten Weise, daß sie ihr Vergnügen in der Eitelkeit sucht. Sie weiß wohl, daß ein Schauessen nichts anders ist, als ein gefärbtes Bild, von Holz, Wachs oder andern Dingen bereitet, welches wenig oder gar nichts werth ist, wenn nicht so viel Müh und Arbeit daran gewandt wäre. Oftmals ist es eines Vogels Fell, das man ihm sammt den Federn abgeblasen, mit Werg oder Heu ausgestopft, dessen Schnabel und Füße man vergoldet und gefärbt hat; und man hat von dieser Bemühung nichts, als daß es eine Weile der menschlichen Ueppigkeit und Eitelkeit dienen muß. Also sucht der Mensch seine Lust darin, daß er betrogen wird, und dünkt ihm, er werde geehrt und sonderlich bewirthet, wenn ihm ein solches nichtswerthes Ding aufgetragen und eine Weile zu beschauen vorgestellt wird. Es ist eben, als wie es mit den Gemälden zugeht; ich habe gesehen, daß ein gemalter Mönch, ein gemaltes altes häßliches Weib, ein gemalter Bettler mit seinen zerlumpten Kleidern und Bettelgeräth um etliche hundert, ja um tausend Thaler ist gekauft worden, da doch selbe Käufer einen lebendigen Mönch, ein solch alt Mütterchen keines Worts gewürdigt und einem solchen lebenden und nackten Bettler kaum einen Pfennig zu seinem Unterhalt gereicht hätten. Also liebt der Mensch den Betrug und hat nicht allein Gefallen daran, wenn er von künstlicher Hand betrogen wird, sondern bezahlt auch solche bezügliche Vergnügung mit vielem Gelde. Was ist denn der Menschen Lust? Eitelkeit. Was ist ihre Kunst? Betrüglichkeit. Was ist ihre Ehre? Thorheit. Ach, wie gar nichts sind doch alle Menschen! Ps. 39, 7. Mein Gott! der schöne Himmel, deiner Finger Werk, ist mein Schauessen; der gekreuzigte Herr Jesus ist mein Gemälde; an jenem beschaue ich, was deine Hand zur Seligkeit uns bereitet hat, an diesem, wie ich zu solcher Seligkeit gelangen könne. Weg mit aller Eitelkeit! Ich verlange allein die selige Ewigkeit.
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