Das Salz
Als bei einer Mahlzeit Salz gefordert ward, sagte Gotthold: Die Juden fabeln, daß Lots Weib in eine Salzsäule verwandelt worden sei, darum, daß sie mit ihrem Mann nicht zufrieden gewesen, als er ihr die Engel in Gestalt fremder Leute ins Haus und zu Tisch gebracht, daher sie ihnen aus Widerwillen kein Salz auf den Tisch gesetzt. Allein dienlicher ists, wenn man dafür hält, daß Gott an ihr ein immerwährendes Gedächtniß seines Ernstes der Welt hat wollen vorstellen, damit andere lernen möchten ihm gehorsam zu sein, und wenn er sie zu seiner Gnade berufen, sich nach dem vorigen Sündenwandel nicht weiter umzusehen und zu sehnen. Was aber sonst das Salz betrifft, so ist es wol eine von den edelsten Gaben des mildreichen Gottes. Ich habe mit höchster Verwunderung vor etlicher Zeit die Sülze zu Lüneburg besichtigt und habe nichts anders zu sagen gewußt, als daß solches Werk ein rechtes Wunder Gottes sei, welches aber, weil es so lang gewährt, uns nunmehr alt und ungeachtet geworden ist. Dieser Brunnen wird Tag und Nacht Jahr aus und ein geschöpft und wird doch nicht erschöpft, er füllt täglich so viel Pfannen, Kufen und Tonnen und wird doch nicht ausgefüllt, er macht viele starke Menschen täglich müde, und er selbst wird nicht müde. Lieber, woher kommt diese Menge? Wer öffnet und erhält die Gänge dieses edlen Wassers? Ohne Zweifel der, der alles Gute schafft und doch den wenigsten Dank dafür hat. Cambdenus berichtet aus dem Tacitus, daß unsere Vorfahren, die alten Deutschen, dafür gehalten, die Oerter, wo Salzquellen zu finden, wären dem Himmel am nächsten, und das Gebet würde nirgends von den Göttern gewisser erhört, als eben bei solchen Sülzen. Man sieht wohl, daß sie das Salz für eine besondere Gabe des Himmels erkannt und sich zur Dankbarkeit verpflichtet gefunden. Bei uns aber, ihren unartigen Nachkommen, ob wir wohl die Güte Gottes zu erkennen viel bessere Anleitung haben, als sie, wirds wenig geachtet. Ich meinestheils werde dieses Werks mein Leben lang eingedenk bleiben. Lasset uns aber auch hiebei nicht vergessen, was unser Heiland, Marc. 9, 50., und sein Apostel, Col. 4, 6., vom Salz erinnern: Habt Salz bei euch, und habt Frieden unter einander! Eure Rede sei allezeit lieblich und mit Salz gewürzt, daß ihr wisset, wie ihr einem jeglichen antworten sollet, damit sie lehren, daß die Christen vorsichtige, bescheidene und freundliche Leute sein sollen, die nicht leicht durch unbesonnene Rede oder Antwort jemand beleidigen, irre führen oder betrüben! Denn wie die ungesalzene Speise einen Ekel, also macht unbedachtsames Reden Feindschaft und Haß; die Christen aber sind zum Frieden und Segen berufen. Mein Herr Jesu! du sanftmüthiges und liebreiches Herz, gieb mir deinen Sinn und die Gnade, mich also zu bezeigen, daß ich meinem Nächsten gefalle zum Guten, zur Besserung. Röm. 15, 2.
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