Das polierte Klavier
Eltern schenkten ihrem Sohn zu Weihnachten ein Klavier. Er hatte seine Freude daran. Zunächst pflegte es seine Mutter. Dann aber er selbst. Besonders sonntags sollte es hübsch aussehen. Er staubte es ab und polierte es auf Hochglanz. Er wollte damit vor seinen Freunden bestehen können.
Aber merkwürdig, richtig üben tat er nicht. Er brachte es wohl zu "Alle meine Entchen" und "Hänschen klein, ging allein". Viel weiter kam er nicht. Denn richtig Klavierspielen-Können fällt einem ja nicht in den Schoß. Er hätte Unterricht nehmen müssen. Üben müssen. Inzwischen wurde er erwachsen. Das Klavier stand noch immer da herum. Es nützte ihm zwar nichts, aber er wollte sich auch nicht davon trennen. Schließlich war es ja ein Geschenk seiner Eltern. Liebe Erinnerungen an seine glücklichen Kinderjahre verbanden sich damit. Es kam auch schon mal vor, dass er den Klavierdeckel hochhob und nachdenklich ein paar Tasten anschlug. Aber er wäre sich läppisch vorgekommen, hätte ihn einer dabei beobachtet, wie er "Alle meine Entchen..." spielte. Manchmal packte ihn die Sehnsucht, und er wünschte sich, seine Freude oder sein Leid durch das Instrument ausdrücken zu können.
Aber er hatte ja nicht geübt. Und jetzt war es zu spät. So blieb ihm nur die Resignation und ein bisschen Wehmut.
Das ist die tiefsinnige "Geschichte vom Klavier".
Worauf die Sache hinausgeht, ist nicht schwer herauszufinden. In dem Leben der allermeisten Menschen unter uns gibt es solch kostbares Instrument: den Glauben.
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